Praxislizenzarbeit Agnes Ewerling

3. Sitzung: Das schlechte Gewissen

Kl. trifft in ihrer Innenwelt ihren ersten langjährigen Freund. Er möchte noch immer mit ihr zusammen sein wie früher. Sie sagt ihm, dass es für sie nach fast 25 Jahren keinen Sinn mehr hat, alte Zeiten aufleben zu lassen.

Kl.: Es war schwer für mich, dich damals zu verlassen. Mir haben einige Dinge, die ich getan habe, leid getan. Das macht mir noch immer ein schlechtes Gewissen.
Th: Wie reagiert er darauf?
Kl.: Er winkt ab und sagt: das macht nichts, das ist schon so lange her. Ich möchte einfach nur Kontakt zu dir haben. Ich antworte ihm: Ich möchte keinen Kontakt mehr zu dir, du ziehst nur Energie, du willst immer etwas haben von mir. Du spürst anscheinend mein schlechtes Gewissen dir gegenüber.
Th: Möchtest du es verändern? Wenn ja, dann gehe zurück in die Situation, wo das schlechte Gewissen entstanden ist. Schau, was du jetzt anders machen kannst.
Kl.: Ich bin gerade mit Jürgen umgezogen in eine neue große Wohnung. Ich wollte gar nicht mehr mit umziehen, aber unsere alte Wohnung war schon weiter vermietet. Ich wäre gerne in dem Haus geblieben, denn ich hatte mich dort in Hans, einen Wohnungsnachbarn, verliebt. Ich wollte bei ihm bleiben. Klientin seufzt.
Th.: Spüre, wie es sich anfühlt.
Kl.: Es war alles sehr kurzfristig. Nach 2 Monaten hat es richtig gefunkt.
Th: Erzähle es Hans.
Kl.. Ja, Hans, es war sehr schön, wenn Jürgen zur Arbeit war und du mich besucht hast. Und an Silvester war dann alles klar.
Th: Spüre es noch mal, wie es sich anfühlt.
Kl.: Es ist eine starke Anziehungskraft zwischen uns.
Th: Wo spürst du sie?
Kl.: Im ganzen Körper. Jetzt tut meine Brust weh.
Th: Erzähle es Hans!
Kl.: Ich merke, dass ich mich nicht entscheiden kann. Soll ich bei Jürgen bleiben. Wir haben schon einen Hochzeitstermin gemacht. Oder soll ich mit dir neu beginnen. Ich fühle mich zerrissen.
Th: Gehe zu dem Punkt, wo du eine Entscheidung treffen kannst.
Kl.: Das ist auf der Silvesterfeier, zu der Jürgen und ich einige Freunde eingeladen haben. Ich tanze mit Hans sehr eng. Da merkt Jürgen, dass etwas zwischen uns läuft. Er geht dazwischen und gibt mir eine Ohrfeige.
Th: Wie ist das für dich? Was machst du jetzt?
Kl.: Jürgen, das ist für mich ein Aufwachen. Ich kann nichts mit eifersüchtigen Männern anfangen. Das Ereignis hat jetzt die Weichen gestellt. Ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein! Ich brauche einen Mann, der sagt, dass er Interesse an mir hat. Das vermisse ich bei dir schon lange. Für dich ist klar, dass wir im April heiraten und du musst dir keine Mühe mehr geben. Du legst abends nur noch die Füße hoch, trinkst dein Bier und rauchst eine Schachtel Zigaretten. Ich will mehr vom Leben haben! Ich entwickle mich weiter, gehe wieder zur Schule. Ich will nicht leben mit dir wie ein altes Ehepaar.
Th: Was sagt er dazu?
Kl.: Er sagt, das sei schön so. Mir nimmt es alle Energie.
Th: Sage ihm, wie es dir damit geht.
Kl. mit monotoner Stimme: Es lähmt mich total. Ich bringe immer frischen Wind und neue Ideen in die Beziehung und du konsumierst nur. Du lebst mein Leben mit. Das geht nicht mehr.
Ich merke, dass ich keine Luft mehr bekomme. Es ist alles so oberflächlich.....
uninteressant. Du bist uninteressant für mich! Total uninteressant!!!
Th: Spüre, was dir die Luft abdrückt und schau, wie er reagiert.
Kl.: Ich sehe Verzweiflung in seinen Augen.
Th: Spürst du sie auch?
Kl.: Nein – sie atmet auf – ich habe es ihm gesagt. Es ist jetzt eher Erleichterung. Ich muss dir noch etwas sagen: Ich liebe Hans. Ich spüre eine große Anziehung. Er sagt mir, dass er mich heiraten möchte, obwohl wir uns erst seit 2 Monaten etwas näher kennen. Zwischen uns ist einfach mehr da – mehr Energie.
Th: Wie reagiert Jürgen?
Kl.: Du reagierst wie ein Kind. Du fragst mich, was du jetzt tun sollst, du hast jetzt die große Wohnung. Ich soll dich nicht allein lassen. Ich kann es jetzt nicht ändern. Du hast eben die große Wohnung, ich habe gar keine. Wir müssen uns arrangieren.
Th: Hast du eine Idee?
Kl.: Wir haben noch einige Tage Zeit für die Lösung. Am 17. Januar ist der Umzug. Ich sehe, dass du jetzt traurig bist. Ich verstehe dich, wünsche mir aber auch Verständnis für meine Lage. Du willst von mir nur immer wissen, was du tun sollst.
Der Klientin fällt auf, dass sie hier ein Muster von ihrer Mutter übernommen hat.Auch
sie hat in der Familie oft Entscheidungen gefällt, bzw. ihrem Vater abgenommen. Sie
hat sehr viel Energie dafür investiert. Die Klientin möchte ein anderes Leben führen,
Dinge tun, die ihr Freude machen, und einen Partner haben, der das akzeptiert und
sie unterstützt. Und der selbst etwas für sich tut, ohne dass sie sich darum kümmern
muss.
Kl.: Jürgen, ich wünsche mir von dir, dass du mich einfach gehen lässt, dass so an mir hängst. Du hängst heute noch an mir. Wenn du manchmal anrufst, spüre ich diesen Zug im ganzen Oberkörper, es schnürt mir die Brust und die Rippen ein und zieht mir den Hals zu.
Th: Frage deinen Oberkörper, welche Botschaft er für dich hat.
Kl.: Oberkörper, zeige mir ein Bild dazu. – Ich spüre jetzt eine Lähmung und mein Oberkörper löst sich auf. Es fühlt sich an, als hätte ich keinen Oberkörper mehr. Beine, Becken, Bauch, Arme und Kopf fühle ich, aber dazwischen ist nichts mehr.
Th: Zeige es Jürgen.
Kl.: Schau, so ist es, wenn du mir immer deine Sorgen am Telefon erzählst. Ich spüre, du kannst es nicht verstehen. Du willst immer noch einmal neu anfangen mit mir. Zwischen uns ist eine große Kluft. Ich sehe jetzt vor mir eine Schlucht. Ich stehe auf einem und Jürgen auf einem anderen Berg. Ich kann und will nicht darüber springen.
Th: Wie reagiert Jürgen?
Kl.: Er will auch nicht springen. Ich habe eine Idee. Wenn es zwischen uns noch etwas Verbindendes gibt, einen unsichtbaren Draht, muss er durchtrennt werden.
Th: Du kannst diesen Draht mal sichtbar werden lassen.
Kl.: Ich habe so ein Gefühl von Rücken- und Nackenschmerzen. Es zieht meinen Oberkörper total zusammen und nach vorn. Ich fürchte, dass ich in die Schlucht stürze. Ich wünsche mir einen Helfer, der diesen Draht durchtrennt
Th.: Wenn Jürgen noch eine solche Macht über dich hat, dass es dich in den Abgrund reißen könnte, da solltest du schauen, was dich so in den Abgrund zieht. Frage ihn, was dich so zieht.
Kl.: Das ist mein schlechtes Gewissen. Ich habe dich verlassen.
Th: Lass mal ein Symbol für das schlechte Gewissen auftauchen!
Kl.: Es ist ein grauer Geist, der herumschwebt. - Wenn ich dich mit meinen Augen verfolge und du verschwindest im Abgrund, zieht es mich hinterher.
Th.: Das schlechte Gewissen soll dir zeigen, wo es entstanden ist.
Kl.: Ich lebe mit Jürgen seit ein paar Tagen in der neuen Wohnung. An einem Abend bringe ich Hans mit. Da Jürgen schon zu Hause ist, gehe ich mit Hans gleich in mein Zimmer. Dann hole ich aus der Küche eine Flasche Sekt und Gläser. So ist es wirklich abgelaufen. – Jetzt mache ich es anders. Ich nehme Hans gleich mit in die Wohnung.
Th: Was sagst du zu Jürgen?
Kl.: Ich habe Hans mitgebracht, weil ich jetzt Klarheit schaffen will. Ich finde ein Gespräch zu dritt sehr wichtig. – Kl. räuspert sich. – Ich habe einen Kloß im Hals. Ich muss euch sagen, ich fühle mich total zerrissen. Ich will nichts mehr geheim halten. Jürgen, auch wenn es dir weh tut, ich gehe.
Th: Schau, wie er reagiert.
Kl.: Er sagt, dass er es schon seit einiger Zeit beobachtet hat. Und er macht mir Vorwürfe, dass wir jetzt umgezogen sind.Die Klientin merkt, dass sich mit mehr Offenheit von beiden Seiten die Dinge auf
einmal viel leichter lösen lassen. Es entsteht mehr Verständnis füreinander.
Sie erzählt Jürgen von ihrem neuen Job, der eine große Herausforderung für sie
darstellt und von ihren weiteren Plänen im Leben. Er spürt, dass er das nicht
mittragen kann und möchte dann auf einmal, dass sie geht. Er hilft ihr sogar noch
beim Auszug.
Kl.: Jetzt ist es mir leichter.
Th: Wo spürst du das im Körper?
Kl.: Der Panzer ist weg von meiner Brust. Der Zug ist nicht mehr da.
Th: Gehe zurück in das Bild mit der Schlucht.
Kl.: Ich stehe vor der Schlucht, sehe Jürgen auf der anderen Seite. Wir können uns nun beide umdrehen und weggehen. Hans wartet schon auf mich.
Ich möchte, dass die Klientin Kontakt zu ihrer Brust aufnimmt. Die Klientin spürt noch eine leichte Spannung in der Achselhöhle. Ein Gefühl, als würde sie etwas festhalten. Der Begriff "Verantwortung" taucht auf.
Kl.: Ich übernehme Verantwortung für Hans. Er studiert und ich muss Geld für unseren Lebensunterhalt verdienen. Aber das Leben macht wieder mehr Spaß, es ist locker und leicht. Und ich übernehme immer mehr Verantwortung für mich. Hans jobbt immer öfter, ist dadurch auch oft ein paar Tage und Nächte unterwegs, so dass ich viele Entscheidungen alleine treffen muss, wenn er nicht da ist.Ich schicke die Klientin in die Situation, wo sich die schmerzhaften Knoten in der
Brust gebildet haben.
Nach einigen Ehejahren möchte die Klientin mit Hans gerne zum Skiurlaub fahren und bucht eine Reise. Kurz vor dem Reisetermin sagt Hans, dass er aus beruflichen Gründen nicht mitkommen kann. Sie erfährt in dem Gespräch, dass er sich in der Firma in eine andere Frau verliebt hat und deshalb lieber zu Hause bleiben möchte.


Th: Wie ist das für dich?
Kl.: Das kenne ich schon. Es ist wieder so ein Strohfeuer.Du bist total verliebt und
kommst dann doch wieder zu mir zurück. Aber jetzt finde ich es gemein, dass du nicht mitfährst. Allein habe ich auch keine Lust auf Urlaub! Du sagst, ich soll es mir doch mal mit einem Urlaubsflirt versuchen.
Th: Wie fühlt sich das an?
Kl.: Mmm, na ja, ich habe mir jetzt nicht Urlaub genommen, um zu Hause zu sitzen. Ich fahre! Ich lasse mir den Urlaub nicht von dir vermiesen.
Th: Schau, wie er reagiert.
Kl.: Ihm fällt ein Stein vom Herzen. Da gibt es Parallelen zu Jürgen.Die Klientin hat das Gefühl, dass sie die Geschichte, die Jürgen mit ihr erlebt hat,
jetzt selbst erlebt. Sie reagiert aber darauf anders als er damals, sie sucht von sich
aus Abstand. Im Urlaub hat sie Zeit, sich über die Beziehung zu Hans klar zu
werden. Sie sieht, dass sie beide inzwischen ganz verschiedene Interessen haben,
dass sie sich aus beruflichen Gründen immer seltener zu Hause über den Weg
laufen und dass die Verbindung inzwischen kaum noch spürbar ist. Th: Erzähle es Hans.
Kl.: Hans, mit uns geht es so nicht weiter. Meine persönliche Entwicklung ist in letzter Zeit zu kurz gekommen. Ich muss jetzt etwas Neues beginnen. Ich Klientin seufzt tief.
Th: Was ist los?
Kl.: Ich bekomme Herzschmerzen. Hans, die Beziehung mit dir ist die längste und intensivste in meinem Leben. Es macht mich sehr traurig. Aber ich spüre auch, dass wir uns kaum noch etwas zu sagen haben. Du lebst auf einem anderen Planeten als ich. Und es ist trotzdem noch ein vertrautes Gefühl zu dir da, ich spüre Wärme in meinem Herzen.
Leise Musik wird eingespielt.Th: Wie reagiert er?
Kl.: Wir stehen uns gegenüber und sagen genau gleichzeitig: "Ich gehe."
Th: Wie ist das für dich?
Die Klientin atmet einige Male tief durch. Sie spürt, dass es nun nichts mehr zu
sagen gibt und dass sie ihren eigenen Weg gehen muss.
Th: Spürst du noch die Verbindung zu ihm?
Vielleicht kannst du das Gefühl, daß euch verbindet, tief in dich aufnehmen.
Kl.: Wir haben einen großen Teil unseres Lebens zusammen verbracht, Hans, du hast immer einen Platz in meinem Herzen.
Th.: Schau, wie er reagiert.
Kl.: Er freut sich.
Th: Wie fühlt es sich für dich an?
Kl.: Die Wärme bleibt da. Musik wird eingespielt und Zeit gegeben , um das Gefühl zu verankern.
Die Kl. sieht die Parallelen zu ihrem letzten Partner, von dem sie sich kürzlich getrennt hat. Sie spürt auch die Verbindung zu ihm, die über ihren Körper hinaus geht. Es war eine sehr intensive Beziehung.

Kl.: Peter, ich gebe dir auch einen Platz in meinem Herzen. Die Zeit unserer gemeinsamen Entwicklung ist vorbei. Unsere Ideen und Pläne bringen wir nicht unter einen Hut. Es tut mir gut, jetzt abschließen zu können.
Th: Schau mal, wie er reagiert, oder was er sagt.
Kl.: Er streckt mir die Hände hin und sagt, dass er auch etwas anderes sucht. Er ist mit der Trennung einverstanden. Danach erscheint noch einmal Jürgen. Auch er bekommt einen Platz in ihrem
Herzen.
Sie erkennt,dass jede Beziehung ihre eigene Qualität hatte und zu ihrer Entwicklung
beigetragen hat.
Th: Gehe mal auf der Zeitachse nach vorne und schau, was in der Zukunft passiert.
Kl.: Ich sehe, dass ich mich in Zukunft – vor allem beruflich – mehr mit Frauen beschäftigen werde. Das hat jetzt Priorität. Ich glaube, dass ich mich mehr mit meiner eigenen Identität beschäftigen werde. – Jetzt fühle ich mich leicht und beschwingt, habe Ruhe in mir und möchte noch etwas Kreatives, Schönes tun.