Schlusskommentar
Mein Eindruck, den ich im Laufe der Sitzungen von meinem Klienten gewann, war: sehr sensibel, extrem gutes, feinschrittiges Gespür für innere Abläufe, sehr differenzierte Ausdrucksfähigkeit. Mein zu frühes Angebot zur Ausbildung für Synergetik lehnte er bisher stets ab.
Er ist sehr verunsichert über seine Fähigkeiten, da er seit Jahrzehnten in sich zurückgezogen lebt (er arbeitet vom Computer aus an der Börse) und so kein feed back von Aussen erhält. Mit zunehmender Sicherheit in seine innere Wahrnehmungsfähigkeit konnte er sich von der Verunsicherung lösen und entwickelt auch im Aussen Witz und Schlagfertigkeit. Den kon-kreten Einsatz seiner Fähigkeiten in der Aussenwelt gilt es anzustreben. Ziele, die seine neu gewonnene Handlungskompetenz in Handeln umsetzen, wird der Klient in weiteren Sitzungen erarbeiten.
Die großen Ängste, mit denen sich der Klient bei mir vorgestellt hatte wie die Angst, von seiner Frau verlassen zu werden, nie mehr dem Loch, in dem er seit Jahrzehnten gefangen sitzt, zu entrinnen und sich deshalb mit Gedanken an einen Freitod zu beschäftigen, sind unmerklich in den Hintergrund gerückt.
Anstatt Alkohol in für ihn sozial belastenden Situationen einzusetzen, geht er jetzt in die Offensive und und setzt das Gespräch ein, um das Gefühl der Isolierung zu durchbrechen, was ihm immer öfter gelingt.
Nicht mehr seine Depressionen stehen im Mittelpunkt seiner Klagen. Der Klient wendet sich jetzt seinen körperlichen Symptomen wie einer schmerzhaften Nebenhöhlenentzündung oder Kopfschmerzen zu und unternimmt es in der Sitzung, deren Hintergründe zu lösen. Sie treten derzeit verstärkt auf und zeigen, daß sein Körper auf die sich neu bildenden inneren Strukturen reagiert (Kurreaktion).
Die chronischen Hintergründe werden über die, gegenüber den Depressionene geringfügigeren, körperlichen Symptome nach vorne gebracht. Es ist ihm möglich, diese zu lösen. So bekam er während einer der letzten Sitzungen so starke Zahnschmerzen, daß er direkt nach der Sitzung vor hatte, zum Zahnarzt zu gehen. Zehn Minuten, nachdem er den Sitzungsraum verlassen hatte, waren die Zahnschmerzen plötzlich verschwunden.
Viele Zusammenhänge aus seiner Familienbiographie sind ihm bewußt geworden, die langfristig gesehen (Monate und Jahre) eine tiefgreifende Veränderung in ihm bewirken werden.
Als derzeitigen Erfolg kann bezeichnet werden, daß er seine Handlungskompetenz als erweitert empfindet. So ist er beispielsweise nicht mehr bereit, die schwache, aber negative Rolle, die ihm innerhalb der Familie zugewachsen ist, weiter auszufüllen. Er beginnt, im Leben seiner erwachsenen Tochter auch eine hilfreiche Rolle einzunehmen und seine Beziehung zu seiner Frau anhand seines sich änderndes Mutterbildes neu zu gestalten.
Wenn uns dies gelungen ist, wird der Klient ein erfolgreiches Beispiel für die Selbst-Heilung von angeblich „endogenen“ Depressionen darstellen.