Helga Regina Buhlmann

PRAXISLIZENZ - Arbeit
November 2003

26. August 2003 10. Session
Als letzte Session in dieser Reihe, von 10 Sessions hinter einander, habe ich eine Rückführung gewählt. Alles wurde vorher mit der Kl besprochen und mit ihrem Ein-verständnis durchgeführt.
Ich habe den Rückführungstext gewählt und die Kl auf ihrer Reise durch die Zeit be-gleitet.
Es geht tief nach unter, bis die Kl Bäume wahrnimmt. Sie ist auf dem Boden, sieht an sich herunter und sieht die Beine von einem Strauß. Es sind nicht meine Beine und meine Füße. Die Kl steht vor ihm. Ich habe einen Kittel an, bis auf den Boden und hab so barfuss Sandalen an. Aber ich kann mich nicht gut wahrnehmen, nur so vorne, nur einen Teil von mir wahrnehmen. Ich bin ein Mädchen. Ich habe ein Tuch über dem Kopf und meine Haare sind dunkelblond. 30 Jahre alt. Ich bin mit einem Stock unterwegs, als ob ich eine Greisin wäre und durch den Wald gehe. Ich sehe so aus, auch ein bisschen gebeugt. Ich ziehe eine Last hinter mir her. So einen Bollerwagen und da ist alles mögliche drauf. Wie als wenn mein ganzer Haushalt da drauf wäre. Schüsseln. Mir kommt es so, als wenn ich geflüchtet wäre. Vertrieben worden wäre. Vielleicht wie meine Mutter damals?
Ich bin im Wald und die Kl weiß genau wo sie ist.
Die Kl kennt den Wald, es ist der Wald in dessen Nähe sie wohnt.
Die Kl ist alleine und heißt Johanna und lebt im Jahr 1936. Ich bin auf der Flucht. Es ist Krieg. Viele andere wie ich flüchten auch, aber ich sehe sie nicht, es ist nur so in meinem Kopf. Die Kl geht weiter durch den Wald an eine ganz bestimmt Stelle die sie kennt. Es ist ganz anstrengend den Berg hoch. Es ist Dienstag, Oktober und der 03te. Ich gehe jetzt über die Straße und mir geht es nicht gut.
Ich habe Angst und bin aufgeregt, weil ich nicht weiß was mich erwartet. Kl atmet tief. Aber ich habe es irgend wie total eilig. Die Kl geht jetzt in einen Ort. Es ist wirklich komisch, ich fühle mich komisch, ich geh da durch wie ich bin und die Häuser sind aber nicht so alt. Die anderen Leute auch nicht, die Leute sind wie heute, nur ich nicht. Ich bin so wie ich bin, in so einem schwarzen Gewand.
Die Kl bewegt sich.
Mir tut jetzt die Ferse weh und ich bin total traurig und mein Kopf tut so weh. Kl fängt an zu weinen. Ich weiß gar nicht wo ich hin soll. Kl weint heftiger. Ich weiß gar nicht wo ich hingehöre.
Ja, ich bin so total alleine. Nein, ich bin nicht alleine – ich bin so einsam. Ja, ich kenn das Gefühl.
Ich sitze jetzt in einem Nest, wirklich in einem Vogelnest. Aber ich habe nicht mehr das schwarze Gewand an. Ich fühle mich jetzt geborgen in diesem Nest. Das Nest ist inmitten eines Ortes und die Kl sitzt und schaut oben drüber, ich bin ein bisschen traurig, aber auch quietsch vergnügt. Ich schaue richtig frech aus meinem Nest.
Kl atmet tief.
Kl fragt was sie hier soll. Sie schaut auf ihren Heimatort. Es ist Nebel im Tal und alles ist so wie es jetzt ist. Ich kann mich schlecht wahrnehmen. Komisch, wer bin ich?
Ich biete der Kl an, einmal auf der Zeitachse nach vorne zu gehen. Zeit vergehen zu lassen um es vielleicht dann zu erfahren.
Die Kl geht jetzt zu ihrem Elternhaus. In den alten Garten und da ist auch ihre alte Tante. Ich bin jetzt Kind. Meine Tante ist da und ich bin Kind mit einer Kittelschürze. Nein, so eine Schürze und ich habe Zöpfe und bin in dem Garten bei ihr. Ich bin nicht in der kleinen Kl, ich sehe sie nur. Ich fühle mich darin, ich fühle mich wie ein Beobachter.
Die Kleine hilft ihrer Tante. Es war schön irgendwie, in diesem Haus zu leben. Ich schaue mir es nur an, wie es war. Das Haus ist noch nicht verputzt, so wie es früher war. Ich möchte mir das nur aussehen. Ich möchte vielleicht nicht mehr so klein sein. Kl atmet tief. Ich kann richtig überall reingehen und da sind auch noch Ältere, Opa und Oma, ganz alte Leute und die sind auch so gekleidet, wie ich es von den Bildern her kenne. Ganz alte Maschinen, die ich mir anschaue, so Landmaschinen. So als ob ich da zu Besuch wäre, in dieser alten Zeit.
Ich bin jetzt ich, als Beobachter in der alten Zeit. Ich finde das jetzt unheimlich inte-ressant, mir das alles anzuschauen. Den gepflasterten Hof, da fühle ich so die Steine an. Ich gehe jetzt ins Haus rein. Meine Tante sitzt im Haus und ich bin jetzt da wo sie gewohnt hat. Ich gehe durch alle Räume. Ich finde es total schön. Weil irgendwie bin ich da ja groß geworden. Es hat sich ja jetzt so vieles verändert, dass ist jetzt nicht mehr so. Es ist so schön da jetzt durchzugehen. Es ist alles so wie es war. Ich fühle mich nicht mehr einsam.
Ich empfinde so ein Stück Dankbarkeit, dass ich dort so viel Geborgenheit hatte. Und das die so unheimlich lieb mit mir waren.
Die Kl spürt die Geborgenheit als Stärke und fühlt sich total Selbstbewusst. Dazu fällt mir jetzt ein, dass ich mich manchmal geschämt habe, von so einem Bauernhof zu kommen. Das Haus war nicht verputzt, wie alle anderen. Aber jetzt fühle ich mich total stark und bin da absolut stolz drauf.
Du bist so ein schönes Haus. Der Kl tut es leid, dass sie sich manchmal geschämt hat. Du bist ein so schönes Haus mit deinem Bauerngarten davor. Mit Bohnenstangen, so ein richtiger Bauerngarten. Was habe ich geweint als unser Pferd verkauft wurde und dafür ein Traktor gekauft wurde. Jetzt sehe ich das Pferd noch einmal. Oh, ich fühle mich da so wohl, dass ich gerade mal weinen könnte, so wohl fühl ich mich.
Kl weint. Ich weiß nicht ob es Traurigkeit oder Glück ist, dass ich es gehabt habe.
Ah, das gibt so viel ab in mich. Das geht so in mich rein. Alle Gefühle gehen in mich rein. Kl weint.
Ich spiele schöne Musik ein. Damit die Kl die Gefühle alle in sich aufnehmen kann.
Die Kl weint und sagt, dass sie jetzt schon Angst hat wenn es weg ist.
Nach dem Tod ihres Vaters in diesem Jahr, steht es an, dass das Haus verkauft werden soll.
Die Kl ist wieder in dem Haus. Jetzt sind auch Ihre Eltern da. Die waren die ganz Zeit nicht da. Ich bin jetzt Kind. Mit meiner Mutter bin ich Kind und meine Mutter ist jünger, nur mein Vater ist so alt wie er war. Wir machen jetzt das zusammen was wir schön fanden. Zusammen Fenster gucken. Sonntags. Und dann habe ich ein Eis geholt.
Kl weint sehr. Ich frage, ob sie den Eltern etwas sagen möchte.
Ich möchte sie nur noch einmal festhalten. Ich halte meinen Vater im Arm und drücke ihn. Ich möchte mich jetzt mit meinen Eltern auf die Bank vor dem Haus setzen und sie in den Arm nehmen.
Das geht nicht. Es passt gar nicht. Mein Papa ist so alt und meine Mama ist so jung. Die ist oben und er ist unten. Es geht nicht. Ich muss hoch gehen. Ich muss meinen Eltern sagen, dass das Haus verkauft wird. Das ist meine Aufgabe.
Mama ich möchte dir nur sagen, dass ich das Haus nicht halten kann und mein Bru-der auch nicht. Meinem Bruder gehört die Hälfte des Hauses. Das freut dich be-stimmt, dass weißt du ja nicht. Ich kann das nicht halten und ich verkauf das jetzt. Sie streichelt mir über den Kopf und hat dafür Verständnis. Sie freut sich das meinem Bruder die Hälfte gehört. Es ist gut so und sie kann jetzt auch wieder gehen. Ja, sie ist jetzt wieder weg und ich gehe jetzt runter und sage es auch meinem Vater.
Vati wir möchten das Haus nicht halten, wir wollen es verkaufen und finden hoffent-lich jemanden, der er in Ordnung hält, so wie du es immer getan hast. Er kann jetzt auch wieder gehen.
Die Kl spürt jetzt Hitze, die sie im ganzen Körper, aber besonders im Kopf wahr-nimmt.
Aber ich möchte mich jetzt auch zurück ziehen aus dem Haus. Im Moment wird alles dunkel und ich möchte jetzt einfach so rausgehen. Die Kl macht das Hoftor zu. Ganz langsam.
Ich lasse der Kl viel Zeit.
Ich glaube ich muss noch etwas dem Haus sagen: Es war ganz schön in dir zu Le-ben. Ich habe mich total geborgen in dir gefühlt. Ich bin echt glücklich in dir groß ge-worden. Total gesund in dir. Es war schön, danke dafür. Ich kann das Haus so richtig fassen und streicheln.
Ich frage die Kl ob sie etwas aus dem Haus noch mitnehmen will, oder ob das Haus ihr etwas schenken kann, was sie in ihr jetziges Leben mitnehmen kann, was sie immer an diese Zeit erinnert.
Die Kl atmet tief durch. Ich habe jetzt die ganze Zeit gesucht was es war, dass man sich so frei fühlen konnte. Es ist Luft zum Atmen und das wünscht das Haus mir auch. Raum in dem Luft zum Atmen ist. Das man frei sein kann, dass nichts drückt. Ob man in einem geschlossenen Raum ist, oder überhaupt in einem Gebäude ist.
Raum zum Entfalten.
Ich frage nach einem Symbol, ob es dafür ein Symbol gibt, was das Haus ihr mitge-ben kann
Ja, es ist wie so ein Würfel, keine eckigen Kanten, sondern abgerundet, so wie ein kleiner Glaskasten. Da ist nichts drin. Das ist das Symbol für Freiheit.
Das Haus sagt der Kl das sie alle Gefühle, Geborgenheit, Freiheit und alles was sie dort empfunden hat, in ihr ist.
Sei so wie du bist.
Sagt das Haus mir.
Das fühlt sich nach oben hin ganz frei an. Es macht mir keinen Druck auf den Schultern, ich habe einfach Raum nach oben. So Luft nach oben hin frei.
Ich spiele jetzt Naturgeräusche und schöne Musik ein.
Ich bin jetzt nach Hause gelaufen (wo die Kl jetzt wohnt). Ich bin gerade dabei, von einem Zimmer in das andere zu gehen, um zu spüren, wie sich das anfühlt. Das fühlt sich gut an. Ich habe das Gefühl von meinem Elternhaus mitgenommen, in mein jetziges Haus. Ich bin einfach so in jedes Zimmer und hab gespürt, was da gekommen ist. Da war nichts negatives. Wie angekommen sein. Dieses Heiße vorhin war so, wie wenn das in mich gegangen wäre. Ich kann das jetzt so empfinden. Ich habe das Hoftor so bewusst zu gemacht. Die Erinnerungen sind jetzt so in mir. Ich habe alles in mir. Alle guten Gefühle und Erinnerungen. Das fühlt sich ganz frei in meiner Brust an.
Bei schöner Musik lasse ich jetzt die Kl mit diesem Gefühl allein zu Nachspüren.

Wir haben jetzt erst einmal ein Session - Pause eingelegt. Die Kl wollte jetzt Zeit um alles nachzuspüren und umzusetzen. Und es auch einmal so richtig wirken zu lassen.
Wir sind in ständigem Kontakt und sprechen über das Erleben im Außen. Die Kl kann sich jetzt besser wahrnehmen und es gelingt ihr, noch nicht immer, aber doch schon oft, zu sagen was sie will und was sie nicht will.
Sie fühlt sich dadurch freien und der Druck, den sie sich selbst gemacht hat, ist ge-ringer geworden. Es macht ihr Freude auch einmal anzuecken und nicht immer an-gepasst zu sein.
Die Arbeit mit dieser Kl hat mir sehr viel gegeben und es jetzt, im Schreiben es noch einmal zu erleben, war wunderschön.
Ich sage von ganzem Herzen „DANKE“.