Helga Regina Buhlmann

PRAXISLIZENZ - Arbeit
November 2003

20. August 2003 9. Session
für diese Session habe ich den Schutzengeltext von Agnes als Entspannungstext gewählt.
Die Kl geht durch einen Tunnel, dann bricht die Straße ab, sieht ein Bächlein, dass an einer Felswand herunter fließt. Sie ist alleine und weiß nicht wie sie eigentlich hier her gekommen ist. Die Straße ist abgebrochen, da geht es steil runter und da kann man auch nicht klettern.
Ich frage nach ihrem Impuls.
Die Kl sagt: ich kann wieder zurück, mich außen entlang hangeln, denn vor mir ist ein totaler Abgrund.
Ich frage die Kl ob sie den Mut hat, sich einmal in diesen Abgrund hineinfallen zu lassen.
Da einfach hinunterstürzen?
Ich fragen noch einmal nach ihrem Impuls. Zurückgehen oder nach vorne. Und ich spreche ihr Gefühl an, welches da ist, vor diesem Abgrund.
Die Kl sagt, dass ein Gleitschirm ja eine Möglichkeit wäre. Ich habe es noch nie ge-macht, aber ich stelle mir vor, dass mein Schutzengel bei mir ist und das ich heile unten ankomme. Die Kl hat Schnüre an den Armen und ist etwas aufgeregt, denn es geht ganz schön abwärts. Der Schutzengel ist da und die Kl kann sich jetzt fallen lassen.
Ich spiele Windgeräusche ein.
Die Kl fliegt nach unten. Über Bäume, sieht einen See, eine Wiese und fühlt die Aufregung, weil sie so etwas noch nicht gemacht hat. Sie landet jetzt auf der Wiese. Ich habe es geschafft. Die Kl kann sich noch nicht freuen. Ich bin alleine. Liege in einem Haufen von Heu. Die Kl steht auf und geht von der Wiese zu dem See. Dort sind Leute. Sie mietet sich ein Fahrrad und fährt am See entlang. Sie fährt alleine. Die Kl fühlt sich wohler jetzt. Sie versucht um den See zu fahren. Da ist ein schattiges Plätzchen an einem Hang. Dort setze ich mich hin und schaue mir alles an. Die Wiesen, den See, den Wald und zum Berg hoch, wo diese Straße abgebrochen ist. Die Kl findet den Wald sehr dunkel. Dunkle Nadelbäume. An dem See ist es schön. Und an dem Berg, da war ein Erdrutsch und der hat die Straße abgerissen.
Ich frage die Kl ob sie weiß, wo der andere Teil der Straße geblieben ist.
Sie geht mit dem Tunnel in Kontakt. Es war ein Unwetter und der Teil ist abgespült worden. Als Geröll runtergespült. Ein Teil ist verloren gegangen. Der Tunnel wundert sich, dass er nicht gesperrt wurde und das immer noch Leute da durch kommen. Die Kl ärgert sich, dass dem Tunnel alles egal ist. Da passiert zwar noch viel, aber der Tunnel nimmt es nicht wahr. Der Kl wird es jetzt ganz heiß, weil sie sich darüber ärgert. Sie hat einen ganz heißen Kopf. Setzt sich jetzt auf ihr Fahrrad, um den heißen Kopf durch den Fahrtwind zu kühlen. Es ist eine ganz schöne, hügelige Landschaft, mit schönen Wiesen und Bächen. Sie fährt einfach umher.
Ich spiele Geräusche von Bachrauschen und Vogelgezwitscher ein.
Die Sonne scheint und ich fühle mich beschwingt. Ich fahre durch Orte und finde es einfach schön. Die Kl fährt durch Gegenden, wo sie schon einmal war. Alte Erinnerungen kommen jetzt. Es huscht alles nur so vorbei und sie fährt immer weiter. Die Kl kann sich alles schön ansehen und stellt fest, dass sie eigentlich fliegt. Ich fliege so mit meinem Fahrrad, denn es ist gar nicht anstrengend den Berg hoch zu fahren. Die Reise geht über das Allgäu bis Italien. Es ist so, als ob ich das alles noch einmal abfliegen wollte, noch einmal ansehen wollte. Nochmal aufnehmen. Ich fliege jetzt wirklich. Sie weiß nicht wie sie fliegt und wer sie trägt, aber sie fliegt jetzt an der Küste entlang und bekommt nun das Gefühl nach Hause zu müssen. Jetzt wird es Zeit nach Hause zu gehen.
Das Gefühl verändert sich, als sie zu Hause auf der Terrasse ist. Ich sehe so etwas ganz komisches. Es ist wie ein Dach, an dem Teer runter läuft. Aber das ganze ist der Kopf und der Schnabel von einem Vogel. Es ist irgend wie ganz schwarz. Der Vogel steht vor mir. Den sehe ich so über dem Ganzen. Die Kl fragt was er für eine Gestalt ist. Er sagt, er sei die Trauer. Er will mir zeigen, was in mir manchmal so schwer ist.
Der Vogel nimmt die Kl an die Hand und führt sie, es ist alles wirr, auf den Speicher in ihrem Elternhaus in einem anderen Ort. Irgendwie zwischen den Bäumen und der Vogel hat sich jetzt verändert und ist so eine starke Hand für mich geworden. Die Kl spürt die starke Hand und es ist ein angenehmes Gefühl. Jetzt geht die Kl auf den Speicher ihres Elternhauses. Da war ich schon so lange nicht mehr. Du liebe Zeit. Ich schaue mich um und sehe aus dem Fenster. Das habe ich immer gerne gemacht. Ich bin hier nicht traurig. Jetzt ist niemand mehr da. Die Kl geht jetzt nach unten und spürt die Hand wieder. Es ist ihr Schutzengel. Ganz einfach. Die Kl geht jetzt raus in den Hof. Ich habe keine Lust von hier weg zu gehen, eigentlich will wieder in das Haus gehen. In diesem Haus ist einfach ein angenehmes Gefühl.
Die Kl geht zurück in ihr jetziges Haus und hat dort auch kein komisches Gefühl mehr. Das Gefühl ist das gleiche wie in ihrem Elternhaus.
Ich lasse die Kl die Gefühle vergleichen die sie in ihrem Elternhaus und in ihrem jetzigen Haus hat. Der Vogel wollte ihr die Trauer zeigen und jetzt ist kein Unterschied mehr zu spüren.
Die Kl geht in ihr jetziges Haus. Alles ist mir jetzt ein bisschen fremd. Sie läuft in ih-rem Haus herum, wie in einem Möbelhaus. Sie fühlt sich nicht zu Hause und nicht geborgen. Die Kl kennt dieses Gefühl nicht, nur jetzt ist es so.
Ich sage ihr, dass die Trauer sie in ihr Elternhaus geführt hat und ob sie da nochmal nachschauen will, ob es da einen Zusammenhang gibt und ob etwas in ihrem Elternhaus ist, was sie in ihrem jetzigen Haus vermisst.
Die Kl trauert Dingen hinterher, die einfach weggeworfen wurden. Und das hat mein Mann gemacht und das waren meine schönen Kindheitserinnerungen. Die Kl hätte sich selbst gerne von ihren Sachen getrennt und verabschiedet. Sie geht in direkten Kontakt mit ihrem Mann. Meine wunderschöne Puppenküche, auf die ich immer so stolz war. Auf meinen wunderschönen Puppenwagen. Auf meinen ersten Schulranzen und meine Puppen, meine wunderschönen Puppen, alles weggeschmissen von dir und das finde ich ganz traurig. Da fehlt mir richtig ein Stückchen. Meine Kindheit ist einfach von fremden Leuten weggeschmissen worden. Das macht mich so traurig, so traurig – ich hätte das so gerne noch mal angeschaut und dann hätte ich mich davon getrennt – oder in eine große Kiste irgendwo hin. Und ich habe jetzt auch wieder so eine Angst, dass wieder so viel weggeschmissen wird. Deshalb mag ich gar nicht, dass du mir hilfst dabei. Ich möchte das alles ganz alleine machen, aber irgend wie ist mir das viel zu viel. Ich möchte mich einfach von den Sachen verabschieden die dann weggeschmissen werden.
Das macht mich wieder total sauer auf meinen Mann. Ich könnte ihm an die Gurgel gehen und könnte ihn mal zisseln. Direkter Kontakt. Ich bin total sauer auf dich, das du achtlos meine Sachen einfach weggeschmissen hast – ohne Respekt, dass das mir gehört hat und das ist das, was ich eh an dir vermisse. Respekt zu haben vor anderen. Vor allen Dingen vor mir. Diese Dinge waren mir so wichtig gewesen. Ich vermisse die Sachen so, ich hätte mich so gerne von denen verabschiedet und da wären so viele Erinnerungen gekommen (Kl weint) und so ist alles weg. Einfach weg. Kl atmet schwer und weint. Es macht mich so traurig, dass nichts mehr da ist von mir als Kind. Einfach weg. Nichts mehr da. Und ihr habt euch einen Spaß daraus gemacht alles wegzupfeffern. Damals hat es mir nicht weh getan, nur jetzt tut es mir weh das nichts mehr da ist.
Es tut meinem Mann jetzt auch leid. Schau mich an wie weh mir das tut. (Kl weint heftiger). Ich sehe das Fenster, wo die alles auf einen großen Wagen geschmissen haben.
Ich frage die Kl ob sie weiter da zuschauen will, wenn die ihre Sachen aus dem Fenster werfen.
Hört auf damit. Es sind meine Sache. Hört auf, ich möchte nicht, dass ihr alles weg-schmeißt. Hört auf, lasst das bitte da. Die Sachen stehen jetzt im Zimmer. Gestapelt wie sie standen. (Kl weint sehr). Da sind so viele kleine Koffer und da möchte ich mal reinschauen. Ich bin so traurig. Ich bin so traurig darüber, dass die Sachen alle weg sind. Stellt die Sachen ganz schnell alle wieder hin. Alle wieder in den Raum. Ich muss mir die alle noch einmal anschauen und dann schmeiße ich die Sachen weg. Aber ich - nicht ihr. Ich schaue mir die Sachen jetzt an und dann schmeiße ich die Sachen weg, aber ich mach das. Wann ich das möchte. Ich schaue mir jetzt alles an.
Ich spiele Kinderlieder ein während die Kl die Sachen in die Hand nimmt und sich alles noch einmal anschaut.
Die Kl ist allein, während sie sich die Sachen anschaut. Es gibt Würfel mit Bildern drauf, die in dem einen Koffer sind. Ein kleines Bügeleisen und die Nähmaschine. Kl lacht. Ich wusste gar nicht, dass ich das noch hatte. Die Kl genießt das Gefühl mitten in Ihren Sachen zu sein.
Ich lasse der Kl Zeit alles anzuschauen und Abschied zu nehmen. Spiele schöne Musik ein.
Die Kl sagt den Sachen wie schön es für sie ist, dass alles noch einmal zu sehen. Sie sieht jetzt aus dem Fenster und es ist Winter draußen. Sieht Onkel und Tante und sie fährt Schlitten und ist 11 oder 12 Jahre alt. Sie fährt die Straße herunter. Der Kl kommen diese ganzen Erinnerungen aus den Spielsachen entgegen. Es ist so ein schönes Gefühl, dass ich das alles nochmal erleben darf. Die Kl holt ihren Mann jetzt dazu, um ihm zu zeigen wie schön es für sie ist und wie wichtig, von diesen Sachen Abschied zu nehmen. Sie sagt ihm, wie sehr sie diese Sachen geliebt hat. Für mich sind diese Sachen so wichtig und du hast sie alle weggeworfen. Ihr Mann sagt ihr, dass er das nicht kennt, weil er diese Zeit in sich gestrichen hat. Schau wie wichtig mir das ist. Er will über die Zeit bei sich nicht nachdenken. Mir ist diese Zeit wichtig. Er mag wieder gehen. Ich hätte gerne gehabt, dass er das nach empfinden kann.
Ich halte die Kl mit ihrem Mann in Kontakt.
Du hast die Zeit in dir einfach gestrichen. Er geht jetzt einfach. Es ist nicht für mich ok. Aber ich lass ihn gehen.
Ich halte die Kl weiter mit ihrem Mann in Kontakt.
Sie sagt: bleib hier. Komm nochmal hoch und schau dich einfach nochmal um. Das ist wichtig für mich gewesen. Er sagt er hätte dazu keine Beziehung. Dann geh bitte. Jetzt ist es ok. Ich habe dir jetzt gesagt wie wichtig es für mich ist. Und geh jetzt.
Ich möchte jetzt auch gehen. Ich nehme jetzt Abschied von den Sachen, von Onkel und Tante. Ich gehe jetzt wieder, es war ganz schön bei euch und danke für alles. Ich verabschiede mich jetzt auch von meinen Sachen. Von meiner Puppenküche und meinem Kinderwagen. Von meinen Puppen, von meiner Nähmaschine. Ich fasse alles noch einmal an. So eine tolle Nähmaschine. Jetzt gehe ich.
Ich frage die Kl ob sie die Sachen dort zurücklassen will, oder ob sie die Sachen verschenken möchte, oder was so ihr Impuls ist.
Die Kl möchte die Sachen in ein Kinderheim geben. Ich lade jetzt alles auf einen Hänger auf. Einen Teil werfe ich weg, der ist nicht mehr schön. Die anderen Sache fahre ich in ein Kinderheim. Ja, die bringe ich jetzt hin und die freuen sich. Die Kinder sind total neugierig und die untersuchen das alles genau, die sind total happy damit. Ich freue mich so, dass ihr jetzt mit meinen Sachen spielt, die waren mir sehr wichtig aber jetzt freue ich mich das ihr damit Spaß habt und das ist gut so. Ich kann jetzt ganz beruhig sein, dass sie nicht in den Müll kommen. Ja. Meine lieben Spielsachen ich lasse euch jetzt hier zurück, ich kann nicht mehr mit euch spielen, ich möchte mich von euch trennen. Es war schön, dass ihr da ward für mich. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.
Die Kl weiß, das in ihrem Elternhaus noch viele Sachen sind. Aber sie weiß auch, dass sie sich von diesen Sachen verabschieden muss. Sie spricht ihren Mann direkt an. Die Sachen aus meinem Elternhaus werden verschenkt, aber ich muss mich von den Sachen verabschieden und die werden nicht einfach weggeschmissen. Ich bestimme das, was mit den Sachen passiert. Ich ganz alleine. Ja, das ist ok für ihren Mann, aber die Sachen müssen weg. Sie sagt: Ich mach das so. Es ist jetzt ok für mich.
Vom Elternhaus in das jetzige Haus, hatte die Kl im Elternhaus mehr Luft, so als wenn die Decken höher wären. Im jetzigen Haus sind die Decken jetzt auch höher und es ist mehr Licht. Ich habe jetzt mehr Raum. Der Vogel ist nicht mehr so schwarz, das Pech nicht mehr über ihm – es ist jetzt einfach ein Vogel. Die Kl geht jetzt durch das Haus und stellt fest, dass sie sich auch hier von Sachen trennen muss, die sie belasten.
Ich räume jetzt ein Zimmer aus und mache mir da ein Zimmer hin. Ein ganz schönes. Kl lacht. Sie richtet sich jetzt ein Zimmer ein. Mit einer großen Holztruhe aus dem Elternhaus, ich glaube da kommen alle meine Sachen rein. KL atmet tief.
Ich habe ein eigens Bett da. Da gibt es die große Holztruhe. Das komische Ikea Re-gal kommt raus und da kommt so ein schöner, alter Kleiderschrank hin, der noch in meinem Elternhaus steht. Und dann kommen noch Stoffe hin.
Meine Welt, so fühle ich mich da drin.
Es ist jetzt kein Möbelhaus mehr. Das ist mein Zimmer. Mein Mann freut sich, dass ich ein Zimmer habe. Das sind die Sachen aus meinem Elternhaus und ich möchte, dass sie jetzt hier stehen. Alles ok. Ich fühle mich wunderbar. Kl lacht. Ich fühle mich gut, dass ich mich von vielen Sachen trennen konnte und dass ich jetzt ein schönes Zimmer nur für mich habe. Ich freue mich auch, dass du dich mit mir freuen kannst. Es ist jetzt keine Traurigkeit in mir.
Ich lasse jetzt die Kl in ihrem schönen Zimmer mit schöner Musik alleine.
Im Nachspüren hat die Kl ihrem Mann verboten, von den Sachen ihrer Kinder etwas wegzuwerfen. Das müssen die selber tun und sich verabschieden und dann wegbringen können, was sie nicht mehr wollen. Die Erinnerungen nochmal aufleben zu lassen. Es ist ganz wichtig das die Kinder sich selbst entscheiden, sich von etwas zu trennen.
Nochmal zurück am Tunnel kann man erkennen, dass gebaut wird und es eine Öff-nung gibt, wo die Straße dann weiter geht. Es gibt dann wieder eine Verbindung.
Die Kl denkt noch einmal darüber nach, als die Sachen aus ihrem Elternhaus weg-geworfen wurden.
Ich hatte so das Gefühl, dass ich gar nicht da war. Was habe ich in der Zeit ge-macht? Warum war ich nicht da. Ich hab das Gefühl, ich war nicht dabei – aber na-türlich war ich dabei, ich muss irgendwo in diesem Haus gewesen sein, aber ich habe nichts gesagt.
Mir geht es jetzt gut damit, jetzt etwas gesagt zu haben und ich kann mir jetzt vor-stellen, dass ich mal echt laut werden könnte oder wirklich auch mal schreien könnte.
Die Kl sagt zum Schluss: Mir kommt jetzt gerade, es ist so wie in mir aufräumen. Ich habe so das Gefühl – ein Zimmer nach dem andern, in Ordnung bringen.