Praxislizenz Anneliese Rönnefarth (Teil 2)
Vorwort
Juli 2002
Klientin, Marga Th., ca. 40 Jahre
alt, verheiratet, keine Kinder
Sie meldet sich vor einigen Wochen auf Anraten einer Freundin zu den ersten
drei Sitzungen.
Die Klientin ist groß und hager.
Sie hat Probleme in ihrer Beziehung. Marga hat das Gefühl nur zu funktionieren,
das Leben läuft an ihr vorbei, sie wird nicht wahrgenommen, fühlt
sich isoliert.
Die ersten drei Sitzungen fanden im Abstand von jeweils einer Woche statt.
Da in diesen drei Sitzungen alles noch sehr zäh und langsam lief, schreibe
ich sie hier nur jeweils in einer kurzen Zusammenfassung und gehe dann erst
ab der 4. Sitzung ausführlicher mit Kommentaren auf die einzelnen Situationen
ein.Die Klientin wurde bereits bei ihrer Geburt vom enttäuschten Gesicht
des Vaters empfangen, weil sie "nur" ein Mädchen war. Schon hier
wurde der Grundstein gelegt für ihr Grundlebensgefühl, wertlos und
ungeliebt zu sein. Durch die gesamte Kindheit zog sich dann der Mustersatz "Nur
wenn ich Leistung bringe, funktioniere, werde ich anerkannt". Im Umfeld
eines diktatorischen Vaters und einer funktionierenden Mutter konnte die Klientin
kein richtiges Selbstbild entwickeln, mußte sie doch immer nur arbeiten
und den Anweisungen und Erwartungen der Eltern Folge leisten. Im Laufe des Prozesses
setzt sie sich intensiv mit ihren Eltern und Großeltern auseinander, bearbeitet
ihre innere Frau und ihren inneren Mann, löst ein Mißbrauchserlebnis
in der Kindheit auf und gewinnt somit immer mehr Zugang zu ihrer Gefühlswelt
und ihrer inneren Handlungskompetenz.
Sie entwickelt ein starkes Selbstwertgefühl und lernt ihren eigenen Impulsen
nachzugehen. Nach der letzten Sitzung berichtet sie über eine völlig
neue Lebensqualität. Ihr Leben wäre jetzt wieder lebendig. Sie fühlt
sich rundherum glücklich und frei. Die Klientin: "Jetzt bin ich 40
Jahre alt und habe zum 1. Mal das Gefühl: Ich lebe!"
1. Probesitzung
Klientin wird mit Hilfe eines Entspannungstextes
zu einer Treppe geführt. Das ganze wird mit spezieller Musik untermalt.
Klientin findet eine sehr lange Treppe vor. Sie kommt in einem dunklen Keller
an. Es gibt zwei Türen. Sie entscheidet sich für die Tür mit
der Aufschrift "Nichts" auf der rechten Seite.
Dahinter entdeckte sie einen langen Gang, am Ende eine Tür. Hinter dieser
Tür fand sie sich in einer Kindheitssituation. Sie ist sechs Jahre alt.
Th: Beschreibe mal, was du siehst.
Bist du alleine?
Pause
Kl: Da ist nichts, alles leer und düster.
Th: Wie ist das für dich? Wie fühlst du dich?
lange Pause
Kl: Das weiss ich nicht.
Pause
Th: Sprich mal den Raum an, frag ihn, was du da sollst, oder ob er dir weiter
helfen kann.
Kl: Das fällt mir schwer.
Th: Probiers mal, und schau was passiert.
Wieder lange Pause
Kl: Raum, was soll ich hier. Ich weiss gar nicht was ich hier soll.
Pause
Th: Was hat er dir geantwortet, hat sich irgendetwas verändert?
Kl: Nein, nichts.
Th: Lass mal einen Boten kommen, der dir weiterhilft.
In der Innenwelt ist so was leicht möglich.
(Schritte werden eingespielt)
Kl: da kommt niemand......
Th: Was macht das mit dir, Marga? Du stehst da und keiner kommt, Du weißt
nicht was du da sollst.
Kl: Das ist blöd. Ich will hier raus.
Th: OK. Schau mal im Keller hinter die zweite Tür, was sich hinter der
verbirgt.
Kl: Ja, vielleicht.
Th: Stehst du wieder im Keller?
(Klientin nickt mit dem Kopf)
OK, dann schau mal, was auf der zweiten Tür steht.
Kl: "Blumen"
Th: Gut, dann kannst du dich jetzt entscheiden, ob du die Tür öffnen
willst.
Kl: Ja, ich bin schon durch und steh jetzt auf einer Wiese mit ganz hohem Gras.
Ich bin noch sehr klein, ich glaube sechs Jahre alt.
Th: Ja, was machst du gerade? Bist du alleine auf der Wiese?
Kl: Ich laufe durch die Wiese weil ich die Tiere raus jagen soll. Sie wird heute
noch gemäht.
Th: Macht dir das Spass?
Kl: Ja schon, aber ich bin müde und ich hab auch ein bißchen Angst
vor den Tieren.
Th: Du bist ja auch noch sehr klein. Wer hat dich denn durch diese Wiese geschickt?
Kl: Mein Papa.
Th: Lass deinen Papa mal dasein und sag ihm mal, dass du müde bist und
Angst vor den Tieren hast.
Kl: Das kann ich ihm nicht sagen, der schaut jetzt schon böse, weil er
kommen musste.
Th: Wie ist das für dich, wenn der Papa so böse schaut? Sag ihm das
mal selber.
Kl: Papa, ich hab Angst vor dir, wenn du so schaust.
Pause
Th: Mhm
Kl: Der sagt nichts, das ist ihm egal.
Th: Wie ist das für dich?
Kl: Ich fühl mich alleine. Ich bin traurig.
Th: Wo genau in deinem Körper sitzt diese Gefühl, dieses traurig sein.
Spüre es mal.
Kl: In meiner Brust, das drückt.
(Klientin zeigt mit der rechten Hand auf die Brust)
Th: Ja, sag diesem Druck mal, er soll dir zeigen, wo er entstanden ist. Sprich
ihn direkt an.
Kl: Druck, zeig mir, wo du entstanden bist.
Lange Pause
Ich sitze jetzt am Tisch mit meinen Geschwistern und wir putzen Gemüse.
Th: Macht dir das Spass, wie ist denn die Stimmung am Tisch?
Kl: Wir müssen noch viel arbeiten.................. Alle sind still, alle
drei.
Th: Findest du das schön, wie ihr da alle am Arbeiten seid? Wie geht es
dir dabei?
Kl: Das ist nicht schön, aber wir machen das immer so.
Therapeutin lässt die Eltern
auftauchen, Sie lassen sich von der Klientin nicht beeinflussen. Sie geht in
der Sitzung noch durch einige andere Kindheitssituationen und jedesmal erlebt
sie wieder ihr "funktionieren". Dann schaut sich die Klientin auch
Bilder aus ihrer Ehesituation an und erlebt sich auch da im gleichen Verhaltensmuster
als "funktionierend". Der Ehemann der Klientin war dann gegen Ende
der Probesitzung die einzige Innenweltfigur, die sie in einer Situation aus
ihrer Kinderzeit gegen die Eltern unterstützt hat.
Im Gespräch nach dieser Sitzung war die Klientin tief betroffen über
die Authentizität ihrer realen Welt mit den Innenweltbildern.
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