Frauke Dietz
Praxis-Lizenz-Arbeit September 2002
I. Therapieverlauf "Lebendigkeit"
Einleitung
Die Klientin ist 49 Jahre alt. Ihre Motivation für die Therapie war eher unspezifisch
begründet wie allgemeine Beziehungsprobleme, mangelnder Erfolg in ihrem selbständigen
Beruf und der Wunsch nach innerer Weiterentwicklung. Eine spezielle Problematik
lag nicht vor. In verschiedenen Gesprächen hatte die Klientin jedoch schon mehrfach
- eher im Konversationsstil - erzählt, daß sie als Baby und Kleinkind häufig
von der Mutter in einen dunklen Raum gebracht worden war, in dem sie dann allein
sein mußte über Stunden und ganze Nächte, und sie vergeblich dort geschrien
hatte: die Mutter war nie gekommen. Es war anzunehmen, daß die Klientin hier
traumatisiert worden war.
Vorgeschichte
Im Verlaufe der vergangenen zwei Jahre hat sie bereits in unregelmäßigen Abständen
Synergetik-Sitzungen genommen, bis zum Beginn des hier beschriebenen Therapieverlaufs
insgesamt 13. Neben Thematiken wie Durchsetzung, Weiblichkeit, Geld o.ä. zog
sich durch den Gesamtprozeß wie ein roter Faden die Entwicklung ihrer Lebendigkeit.
Sehr auffallend war es, daß die Klientin nach fast jeder Session eine Veränderung
in ihrer äußeren Wirklichkeit wahrnehmen konnte oder Dinge passierten, die im
unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer vorangegangenen Sitzung standen und z.T.
frappierend waren. Als herausragendstes Beispiel dafür sei hier folgende Begebenheit
wieder gegeben: In einer Session begegnete ihr die Gestalt ihrer Lebendigkeit.
Diese war ein Mann, der auf einer Wiese tanzte. Er führte sie zu den Situationen
in ihrem Leben, wo ihm seine Lebendigkeit verboten worden war oder er gar getötet
worden war. Ihre Aufgabe bestand darin, diese Situationen neu zu gestalten und
ihn (ihre eigene Lebendigkeit) wieder ins Leben zu holen. Am Ende der Session
tanzte sie dann gemeinsam mit ihm auf der Wiese. Kurz darauf, nach nur einigen
Tagen, begegnete sie diesem Mann (den sie vorher real noch nie gesehen hatte),
auf einem Seminar! Sie verstanden sich auf Anhieb und verliebten sich ineinander.
Später erzählte er ihr, daß er bei ihrer ersten Begegnung daß Gefühl gehabt
habe, seit langer Zeit wieder lebendig zu werden...
Wie bei dieser Session, so neigte
die Klientin dazu, ihre eigenen Ängste, Blockaden usw. in ihrer Innenwelt auf
andere zu projizieren und diesen Personen dann zu helfen. Zwar mit dem Wissen,
daß diese letzten Endes ihre eigenen Anteile sind, jedoch ohne es wirklich zu
fühlen oder auf der Realebene Bilder dazu bekommen zu können. Eine wichtige
Rolle spielte dabei immer wieder die Gestalt ihrer Lebendigkeit, mit der sie
sich ja dann auch in ihrem realen Leben verband. (Da er auch später noch häufig
auftauchen wird, sei hier schon mal sein Name genannt: Kurt.) Auch verliefen
mehrere Sessions auf der Symbolebene.
In ihrer Wirklichkeit gab es im Verlaufe
der Therapie entscheidende Veränderungen. Sie schaffte ihren Durchbruch in ihrer
selbständigen Tätigkeit und ist jetzt seit ca. 10 Monaten durchgehend erfolgreich.
Im Kontakt mit Menschen fühlte sie sich zunehmend sicherer und durchsetzungsfähiger.
Parallel zur Stärkung dieser männlichen Seite entwickelte sie auch ihre weibliche.
So konnte sie beispielsweise beim Weinen zunehmend loslassen und immer besser
auch zeigen, statt den Schmerz in sich zu verschließen und nach außen zu verbergen.
Auch ihre Art, sich zu kleiden, wurde weiblicher.
Ihre Partnerschaft empfand sie zunehmend
als leblos, spürte immer deutlicher das Aneinander- vorbei-leben. Schon längere
Zeit jedoch, nachdem sie parallel die neue Beziehung mit Kurt eingegangen war,
spürte sie, daß sie sich trotz allem nicht trennen konnte. Über mehrere Monate
hinweg war sie hin- und hergerissen, ohne sich entscheiden zu können. Als die
Situation sich immer mehr zuspitzte und ihr Partner eine Entscheidung verlangte,
geriet sie in Panikzustände und dem Gefühl, sterben zu müssen. An diesem Punkt
vereinbarten wir einen Therapieaufenthalt von sechs Tagen mit einer Session
täglich.
Kommentar
Von der ersten bis zur sechsten Session läßt sich eine deutliche Entwicklung
verfolgen, die in der fünften Session kulminierte und kippte. Diese ist auch
im Wortprotokoll wiedergegeben. Die Klientin malte nach ihren Sessions ein oder
mehrere Bilder, die weit besser als Worte die Entwicklung anschaulich machen.
Die Klientin hat sich Session für Session tiefer in ihre Gefühle eingelassen.
Sukzessive erweiterte sie in sich das Gefühl von Sicherheit und darauf aufbauend
Geborgenheit. Dies ist ablesbar an der Zuwendung, die sie durch die Mutter bekommt:
am Anfang ist sie schon damit zufrieden, daß die Mutter halblebendig ist und
sie als Baby wenigstens versorgt wird. Geborgenheit und Wärme fehlen jedoch,
sie spürt auch keinen Impuls, sich ihrem eigenen inneren Baby zuzuwenden. Erst
in der dritten Session nimmt sie es selbstverständlich zu sich, nimmt es an.
In der fünften Session schließlich nimmt die Mutter das Baby zu sich, und die
Klientin kann völlige Geborgenheit und Liebe erfahren. In der letzten Sitzung
dann erweitert sich diese Erfahrung in dem Erlebnis, von ihrem Höheren Selbst
geführt zu werden, dem sie sich vollständig anvertrauen kann.
Durch die Erfahrung erst, daß ihre
Mutter bei ihr ist, fühlte sie sich stark genug, sich ihrem Haß auf den Vater
und in Folge auf Männer zu stellen. Durch das Ausagieren konnte sie sich wiederum
mit ihnen versöhnen, sich öffnen für ihren Freund und seiner Liebe vertrauen.
Parallel dazu entwickelte sie auch mehr Achtung vor ihrer eigenen Weiblichkeit.
Die Entwicklung zur Lebendigkeit
zeigt sich auch auf der Prozeßebene: anfangs stockte der Verlauf häufig, die
Therapeutin mußte immer wieder Impulse geben, mit der Zeit war dies kaum noch
nötig. Die Klientin kam zunehmend tiefer in ihre Gefühle, wurde spontaner und
überlegte oder argumentierte kaum noch.
Ihrer zentralen Thematik: "Angst vor Verlassenheit und Eingeschlossensein, verbunden
mit Todesangst", näherte sich die Klientin zunehmend. Das Muster zeigte sich
in verschiedenen Variationen immer wieder. Nachdem sie Sicherheit und Geborgenheit
in sich hatte aufbauen können, bzw. einen "guten Vater" und eine "gute Mutter"
hatte, war es ihr möglich, sich mit diesem Boden in ihr dem Kern ihrer Angst
zu stellen, wenn sie auch an diesem Punkt länger versucht hat zu vermeiden,
und viel Unterstützung von der Therapeutin brauchte. Nachdem sie in der fünften
Session in ihre tiefste Angst gefallen war, heil wieder herauskam, sozusagen
in den Armen ihrer Mutter, erlebte sie das gleiche Thema noch einmal in der
darauffolgenden, letzten Session auf der Symbolebene. Diesmal konnte sie ihre
Panik kommen lassen, ohne von ihr überrollt zu werden, konnte sich noch einmal
ganz bewußt in ihre Angst begeben, und erlebte eine große Befreiung. In ihrer
größten Angst war die größte Erlösung. In ihren inneren Bildern wird dies so
sichtbar, daß sich die Gestalt ihrer Panik – ein Teufel – in die
Gestalt ihres Vertrauens verwandelt – ein jesusähnlicher Mensch -. Der
Teufel und Jesus sind identisch.
In ihrer äußeren Wirklichkeit und
in ihrem Innern erlebte die Klientin mehrere Veränderungen: Sie spürt mehr Ruhe
in sich und hat vor allem mehr Vertrauen zu ihrem Freund. Immer wieder hatte
sie vorher Befürchtungen gehabt, er könnte letzten Endes doch nicht zu ihr stehen
und sie verlassen. Auch befielen sie häufig Ängste, er könnte sterben und sie
müßte dann auch sterben. Die Vorstellung von Trennung löste bereits Panik aus.
Hier hat sie Vertrauen aufbauen können in Kontinuität und ihre autonome Fähigkeit,
weiterzuleben. Dadurch wiederum fällt es ihr jetzt leichter, ihren Freund auch
zu lassen und nicht zu kontrollieren. Die Problematik ist noch nicht ganz gelöst:
dies ist in der letzten Session deutlich geworden an grünen, klebrigen Fäden
(die ihre Bindung symbolisieren), mit denen sie immer noch ihren Freund umwickelt,
und die ihre Klammertendenz zeigen, um sich vor Verlassenheitsangst zu schützen.
Eine weitere wichtige Veränderung zeigt sich darin, daß die Klientin wesentlich mehr Freiheit hat darin, sich zu äußern, zu zeigen und zu positionieren. Auch dies war ihr vorher so gut wie nicht möglich gewesen. Sie hatte Ängste, verlassen zu werden oder furchtbar bestraft zu werden, wenn sie sich mit dem zeigte, was ihr Inneres ausmacht. In der letzten Zeit hat sie immer wieder mal spontan, auch von fremden Menschen, Komplimente bekommen über ihre positive, offene Ausstrahlung.
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