Praxislizenz Ilona Schließmann
Sitzungsbeispiel 1. ,,Die Augen öffnen sich“ (Klientin 2)

Die Klientin (Anfang 30, berufstätig, 1 Kind) leidet unter Kontrollsucht in Bezug auf ,,Schmutz“ (übertriebener Reinlichkeitssinn) und hat ein, so ihre Worte: ,,gespaltenes Verhältnis zur Sexualität“, was ihre Partnerschaft belastet. Müdigkeit und Kraftlosigkeit bestimmen teilweise ihren Alltag. In Bezug auf ihre Mutter empfindet sie einen ,,Anflug von Leere“.
In der Sitzung zuvor konnte die Klientin noch keine Bilder wahrnehmen, bewegte sich nur auf der Körperebene.
Einleitung: Entspannungsmusik/Entspannungstext ,,Treppe“
Kl: Ich kann nichts sehen, auch keine Treppe.
Th: Hm. Nimm einfach mal wahr was da ist.
Die Klientin ist verunsichert, weil sie keine Bilder sieht. Ermuntere sie in ihren Körper hineinzuspüren. Sogleich treten Körperreaktionen in Form von Beinschwere auf, parallel dazu stockt ihr der Atem.
(Lange Pause.)
Gebe ihr genügend Zeit, ihren Körper bewusst wahrzunehmen und sich einzufühlen, atme tief- ein und aus. Die Klientin atmet mit.
Th: ...und spür einfach mal in deinen Körper hinein.
Nach einer weiteren Pause frage ich die Klientin nach ihrer Wahrnehmung.
Kl: Nicht viel. (unsicher) Nur ein Gefühl von Leichtsein.
Th: (erfreut) Das ist doch schon was. Spür mal, du nimmst ein Gefühl von Leichtsein wahr.
(Gebe der Klientin genügend Zeit, dieses stärkende Gefühl intensiv wahrzunehmen, da sie keine Bilder dazu hat, sich lediglich auf ihre Körperwahrnehmungen verlassen kann. Spiele sanfte Hintergrundmusik zur Unterstützung ein.)
Daraufhin macht sich eine Schwere und ein Kribbeln in den Armen bemerkbar, sie geht in Kontakt.
Th: Ist das ein angenehmes Gefühl?
Kl: Nein, nein. Während sie weiterhin in Kontakt mit diesem Gefühl bleibt, breitet es sich im Magenbereich aus, fühlt sich wie ein riesiges Loch an. Halte sie weiterhin in Kontakt mit dem Loch.
Plötzlich verschwindet das Loch, die Hände schlafen ein.
Kl: Das ist so ein Gefühl von eingeschlafen sein, nicht zu mir gehören (Thema).
Auf die Intervention hin, sich von den Armen eine Situation zeigen zu lassen, wo diese Schwere entstanden ist, wird ihr Atem plötzlich ganz flach. Mache sie darauf aufmerksam.
Th: Wie ist das für den Atem, wenn er ganz flach ist?
Kl: (locker) In Ordnung.
Th: Wie ist das für dich?
Kl: (gleichgültig) Auch gut.
Th: Spür mal, ob sich das gut anfühlt, wenn er so flach ist?
(,,Hake nach“, da sich die Klientin meiner Wahrnehmung nach alles andere als Ok fühlt.)
Th: Du kannst den Atem ja mal fragen, weshalb er sich so anhält. Klientin reagiert nicht. Sie ist in ihrer Angst gefangen. Währenddessen wird ihr Fuß taub. Sie geht in Kontakt, spricht ihn an.
Kl: Ich fühle mich gelähmt.
(Auf die Vorschläge, sich von dem Fuß zeigen zu lassen, wo diese Lähmung entstanden ist, oder mit dem Atem in Kontakt zu gehen, eigenen Impulsen zu folgen, geht die Klientin zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein.)
(Lange Pause)
Th: Was ist da jetzt bei dir?
Kl: Da ist eine Schwere, die mich überkommen will. Ich spüre so eine Leichtigkeit. (Ambivalenz zwischen unangenehm/wegflüchten).
Th: (spielerisch) Du kannst dieses aufkommende Gefühl auch mal als Form oder Gestalt auftauchen lassen. Schau einfach, ob das geht, was kommt.
(Pause)
Kl: Ich kann es schlecht beschreiben.
Th: (beruhigend) Drück einfach aus, was da ist.
Klientin ist im Gefühl der Beinschwere.
Th: Hast du ein Bild dazu?
Kl: Nein.
Th: Du kannst ja sagen Ich seh dich nicht, aber ich spür dich in den Beinen.
(So kommt sie auch in den Ausdruck, in dem sie sich artikuliert, was energetisch auch eine Wirkung hat.)
Die Klientin wiederholt bereitwillig die Worte. Sie soll mal die Beine ansprechen, ob die bereit sind ihr ein Bild zu schicken, dass sie mit dem Gefühl der Beinschwere verbinden kann.
Lange Pause
Th: Nimmst du ein Körpergefühl wahr, oder ein Bild?
Kl: Ich fühl mich wie ein Klappmesser zusammengedrückt und kriege kaum Luft. Daraufhin werden ihre Beine schwer, sie atmet kaum noch.
Spiegele ihr das und halte sie in Kontakt mit ihrem Atem, ermuntere zur direkten lauten Ansprache.
Interveniere, sie solle ihre Mutter in die Innenwelt holen, ihr zeigen , wie es ihr geht.
Kl: Das ist ganz schwer, ganz schwer.
(In Bezug auf die ,,Innenweltmutter“ werden die Beine schwer.)
Th: Ja spür das und spür mal, was das mit ihr zu tun hat.
Kl: (erschrocken) Als würde sie auf mir liegen.
Th: (erhobene Stimme) Ja. Wie ist das für dich, wenn Mama auf dir liegt?
Kl: (erstaunt) Als würde sie mich erdrücken.
Halte Klientin in der direkten Ansprache, wobei sich das Gefühl rasch wieder verschwindet.
Kl: Wenn ich es ausspreche, wird es mir leichter.
Th: Hast du die Mutter vor deinem Inneren Auge, oder eine Wahrnehmung von Ihr?
Kl: Mama, ich kann mir dich nicht vorstellen.
Th: Wie ist das für deine Mama, wenn du sie dir nicht vorstellen kannst? Spür einfach mal rein.
(Lange Pause)
Th: Ist da ein Gedanke oder ein Bild bei dir?
(Pause)
Th: Was ist da jetzt?
Kl: Garnichts, wie Schwebezustand aber hier im Bauch fühle ich was.
Sie geht in Kontakt, spricht ihn an, soll spüren,ob er eine Nachricht oder ein Wort für sie hat (Bilder zeigen sich noch nicht).Die Beine tun weh und der Bauch rumort heftig. Sie soll ihn fragen, ob er ihr einen Satz oder ein Wort schickt.
Kl: (lachend) Den (Bauch)?
Th: (lachend) Ja, genau den, der laut grummelt.
Kl: (kichernd) Magen, was willst du mir sagen?
(Pause)
Kl: Er sagt, ich soll die Augen auf machen. Es zwingt mich irgendetwas, die Augen zu öffnen und ich habe das Gefühl tot zu sein, so wie die Augen leicht aufmachen und einfach nur daliegen.
Th: Wie ist das für dich, die Augen zu öffnen.
Kl: (rasch) Das macht mir Angst.
Eine tiefe Traurigkeit verbunden mit heftigem Weinen überkommt, die Klientin. Ermuntere sie, die Gefühle daseinzulassen. Daraufhin nimmt sie Helligkeit und ein erleichterndes Gefühl wahr, der linke Arm kribbelt, als ob er nicht zu ihr gehört.
Th: Spür mal, wo er hingehört, oder frag ihn einfach mal.
Klientin bewegt mittlerweile beide Arme und bleibt in Kontakt.
Sie soll den Armen mal von den Augen, die ein wenig geöffnet sind erzählen, oder zeigen.
Th: Kannst ja einfach mal damit spielen, mal gucken, was passiert.
Plötzlich werden die Arme unangenehm schwer. Sie sollen ihr eine Botschaft schicken, wobei die Klientin den spontanen Gedanken hat, nach jemandem greifen zu wollen. Ermuntere sie, dass im Außen zu tun.
Th: Und spür mal, nach was oder wem du da greifst und welcher Gedanke kommt, oder frag die Arme, die wissen ja, nach was sie greifen.
Daraufhin muss die Kl. heftig weinen, hält den Atem an. (Ein Bild zu diesem Zeitpunkt hätte das Gefühl noch mehr verstärkt).
Th: (ermunternd) Ja, genau, und drück die Gefühle aus, erlaube ihnen dazusein.
Unterstütze die Kl. beim Atmen, indem ich selber geräuschvoll ein- und ausatme.
Th: ...und mach einen Ton dabei, genau, ja,
Kl: (schluchzend) Ja, die Martina (ihre Schwester).
Th: Du kannst auch sagen, Martina, ich hab an dich gedacht und ihr deine Traurigkeit zeigen.
Die Klientin weint.
Th: (ermunternd) und die Gefühle dürfen auch dasein. Gefühle sind immer echt. Ja, genau. Das ist total schön. Spür mal, ob du dir das erlauben kannst uns spür auch mal, ob du Martina wahrnehmen kannst, ob sie vor deinem inneren Auge erscheint.
Während die Klientin in Gedanken bei ihrer Schwester ist, stockt ihr wiederum der Atem. Sie spricht ihn an, sie soll ihn fragen, ob er eine Botschaft in Bezug auf Martina oder sie selbst hat.
Kl: (leise) Ich soll nur die Augen aufmachen.
Th: (ermunternd) Du kannst das ja in deiner Innenwelt mal ausprobieren, die Augen zu öffnen.
(Pause)
Gefühle brechen auf, Klientin ist tief berührt.
Kl: (weinend) Martina ich vermisse dich.
Th: Ja spür mal, du darfst alles sagen und ausdrücken. Hm. Ja, ja genau, lass alles dasein. Hm. Ja. Und spür mal, wie du die Martina wahrnimmst. – Nicht den Atem anhalten- Atmen, ganz tief.
In Bezug auf Martina wird der linke Arm der Klientin taub.
Kl: Ich kann mich irgendwie gar nicht spüren. Ich bin wie leblos.(Thema)
Th. Wie ist das für deinen Körper, so leblos zu sein?
Kl: Das ist mir unangenehm. Sie soll es dem Körper sagen.
Th: Magst du mal den Körper fragen, wo der Ursprung seiner Leblosigkeit herkommt?
Der Versuch, das Körpergefühl mit der auslösenden Situation zu verknüpfen, schlägt zu diesem Zeitpunkt fehl-trotzdem zeigt der Körper einen eindeutigen Ausdruck, der Atem stockt. Die Klientin sieht zwar keine Bilder, jedoch der Atem wird zusehends flacher. Sie spricht daraufhin ihre Augen an.
Kl: Augen, ihr seid geschlossen.
(Pause)
Th: (sanft) Magst du deine Augen einmal fragen was sie brauchen, um sich zu öffnen, oder ob du etwas für sie tun kannst?
Kl. (leise) Sie gehen auf.
Th: Wie ist das für dich, wenn die Augen aufgehen?
Kl: (berührt) Das ist OK.
Sie soll es ihren Augen sagen.
Während die Kl. mit ihren Augen in Kontakt bleibt, reagiert der l. Arm mit Taubheit und Schwere, die Hand schmerzt, der ganze Unterarm scheint nicht zu ihr zu gehören.
Th: Magst du den Arm fragen, seit wann er nicht mehr zu dir gehört?
(Versuche durch diese Intervention den Kontakt zwischen Armschwere und dem zugrundeliegenden Ereignis zu knüpfen, was ohne klare Bilder kaum geht, aber die Augen sind ja bereit zu schauen.)
Kl: Die einzige Verbindung spür ich zwischen Arm und Augen. Es geht eindeutig ums hingucken.
Th: Sag das mal dem Arm und den Augen, dass du die Verbindung wahrnimmst. Klientin kommt dieser Aufforderung belustigt nach. Auch spürt sie, dass das Taubheitsgefühl immer dann auftaucht, sobald die Augen geschlossen sind.
Kl: Ja, wenn ich die Augen nämlich offen halte, bin ich wachsam und dann kann ich das Gefühl eher wegdrücken.
Th: Ist das so, wie wenn die Augen offen sind, dann kann etwas sichtbar werden? (Spiegele ihr, dass es ums Hingucken geht.)
(Lange Pause)
Kl: (locker gleichgültig) Ist Ok ja.
Th: Magst du die Hände mal auf die Augen legen?
Kl: (erstaunt) Jetzt so richtig?
Sie soll spüren, ob die Hände damit einverstanden sind . Klientin ist tief berührt. (Spiele sanfte Hintergrundmusik zu Unterstützung ein und gebe ihr Zeit in diesem Gefühl zu Verweilen.)
Nach einer Weile verspürt die Klientin den Impuls, ihre Arme um sich zu legen.
Lasse ihr wiederum Raum und Zeit, dieses Gefühl intensiv wahrzunehmen und mache den Vorschlag, sie solle dies ihren Augen zeigen.
Th: Und spür wie es sich anfühlt, sich selbst zu umarmen (Eigenliebe).
Klientin verweilt lange Zeit gerührt in dieser Haltung
Kl: (erleichtert) Ich fühl mich so, als wäre jetzt alles aufgewacht.
So wie: Ich will nicht liegen bleiben, wie beim letzten Mal.
(In der vorherigen Sitzung blieben die inneren Augen der Klientin geschlossen. Sie nahm in ihrer Innenwelt nur Dunkelheit wahr, konnte somit die direkte Verbindung zwischen Bildern und Körperausdruck nicht spüren, was sie damals unzufrieden stimmte.)
Th: Geht`s dir gut?
Klientin bejaht.
Th:... und du hast dich im Arm.
Die Klientin fühlt sich gegen Ende der Sitzung zwar etwas angestrengt, ansonsten könne sie wörtlich ,,Bäume ausreißen“. Auf die Frage nach ihren Augen:
Kl: (freudig) ,,Zum Schluss wollten die offen bleiben-einfach aufmachen, was sehen wollen“. Mit diesen Worten nimmt sie sich die Augenbinde von den Augen.
Th: Ja, genau und du nimmst das schon richtig wahr. Darum geht’s.
Kl: (erstaunt) Worum?
Th: Die Augen aufmachen und was sehen wollen. Sag es mal deinen Augen.
Kl: (belustigt) Augen ihr wollt was sehen.
Wir müssen beide herzlich lachen.
Kl: (erstaunt fragend) Dass die deswegen aufgehen wollten?
(Ich halte sie im Gefühl, sie soll spüren, wie es für sie selbst ist, erinnere sie an ihre eigenen Worte, damit sie bei sich bleibt.)
Kl: Ja, das kam auch richtig so, wie aufgeweckt.
Th: (belustigt) Ja, wie ich dich so sehe, siehst du auch sehr aufgeweckt und lebendig aus.
Zum Abschluss lass ich der Klientin noch viel Zeit zum Nachruhen, zum Anschauen ihrer Innenweltbilder mit geöffneten Augen bei angenehmer Musik.