Praxislizenz Ilona Schließmann
1. Sitzungsbeispiel ,,Müdigkeit“ (Klientin 1)

Die berufstätige Klientin (Mitte 30) leidet unter unerfülltem Kinderwunsch. Symptome auf Körperebene in Form von Körperzittern, Magen- und Darmbeschwerden, Taubheit der Glieder (linke Körperhälfte) sowie Abgrenzung und teilweise Rückzug (Psychische Ebene) beeinträchtigen ihre Lebensqualität im privaten und beruflichen Bereich nachhaltig. Laut fachärztlicher Untersuchung jedoch ist die Klientin organisch gesund. Untersuchungen bei einem Kinesiologen ergaben, dass die Klientin keinen Willen zur Gesundung hätte. Seiner Aussage nach läge dem ein tiefgreifendes (vorgeburtliches) Thema in Bezug auf die Mutter zugrunde.
Klientin wirkt schon während des Vorgespräches sehr müde, ein Ausdruck, der sich schon in den vorherigen Sitzungen als Muster (Blockade) gezeigt hat. Deshalb der Einstieg über Körperarbeit ,,Orientalischer Tanz“. Sie fühlt sich danach wacher.
Im Anschluss daran Einleitungstext: Inneres Kind ,,4 Schilde“,wobei die Klientin sofort mit Bildern aus Kindheitserinnerungen in Kontakt kommt.
Sie findet sich als 4jährige an ihrem damaligen Wohnort unter einem Kirschbaum wieder und wird mit dem Thema ,,Verlassenheit“ konfrontiert.
Kl: Alles ist wie ausgestorben, als ob die Welt den Atem anhält. Schließlich kreist sie (mit ihrem Bewusstsein) über dem Baum, während sie Schwärze wahrnimmt. Die Kleine (ihr ,,Inneres Kind“, aus den Erfahrungen der Kindheit gebildet) ist nicht mehr präsent. Der Körper der Klientin schmerzt, sie atmet flach, wobei sie ein ,,komisches Gefühl“ verspürt. Sie lässt dieses Gefühl, welches sich in Gestalt von Frauenfingern, die unter einer Decke herauslugen zeigt, auftauchen und sieht sich daraufhin am Kopfende eines Totenbettes stehen. Auf dem Totenbett liegt eine Frau.
Kl: Ich seh dich zwar nicht richtig, aber irgendwie spür ich dich, aber ich bin nicht so richtig da, deshalb merk ich nichts.
(Das Gefühl ,,nicht da“ zu sein kennt die Klientin auch aus ihrem Alltag. Sie fühlt sich oft nicht präsent. Zu diesem Zeitpunkt hat sie kaum Kontakt zu ihren Gefühlen, drückt das deutlich aus.)
Sobald sie sich das Gesicht der Frau angucken will, schiebt sich ein riesiger Kristall davor, versperrt ihr die Sicht. (Spiegele ihr das, schlage vor, den Kristall anzusprechen.)
Kl: (gähnend) Ich bin so unheimlich schläfrig bei der Sache dabei. Die Sitzung läuft schleppend weiter.
(Die Klientin nimmt deutlich eine Ambivalenz wahr. Einerseits die Müdigkeit, die sie am Vorwärtsgehen hindert, andererseits das wohlige Gefühl einschlafen und entspannen zu wollen, ein Gefühl, dass sie durch viele Sitzungen hindurch begleitet, sie oft daran hindert, aktiv in die Veränderungsarbeit zu gehen.)
Die Müdigkeit zeigt sich in Gestalt einer schwarzen Federboa. Klientin fühlt sich abgeschnitten, kriegt schlecht Luft.
Kl: (gähnend) Das ist alles so mühsam. Ich würde am Liebsten schlafen Stunden um Stunden.
Die schwarze Federboa zeigt der Klientin eine Kindheitserinnerung. Dort ist sie entstanden. Weihnachten in der alten Wohnung. Kriegsspielzeuge liegen unter dem Weihnachtsbaum. Die Klientin nimmt sich als vierjähriges Kind wahr, welches Kriegsschiffe aus Blei geschenkt bekommt.
(Halte die Klientin in Kontakt mit der Kleinen.)
Th: Und wie ist das für die Große, wenn die Kleine schwere Kriegsschiffe aus Blei als Spielzeug kriegt?
Kl: (schwach) Also, mich schiebt das irgendwie an die Wand. Ich spür das auch im Kiefer.
(In dieser Situation geht die Klientin auf den Vorschlag, die Eltern hinzuzuholen, um sie mit der Kleinen und der Großen durch direkte Konfrontation der Energiebilder in Kontakt zu bringen, leider noch nicht ein.)
Schließlich nimmt sie ihren Vater wahr, der mit der Kleinen Kaufmannsladen spielt, während der Großen schier die Luft wegbleibt.
Kl: (angstvoll) Die kriegen das irgendwie gar nicht mit, was da los ist. Ich hänge hier in der Schrankwand und bin fix und alle.
(schläfrig) Aber ich bin schon wieder so müde, dass ich dauernd abdrifte. (Ambivalenz)
(Versuche, die Klientin in der Innenwelt zu motivieren, aktiv zu werden, zu testen, in dem sie um Hilfe ruft, Impulsen folgt, schlagen zu diesem Zeitpunkt noch fehl.)
Schließlich erscheint die Mutter am Türrahmen.
Kl: Ja aber ich hab das Gefühl als ob meine Mutter ins Wohnzimmer gekommen ist und sieht wie mein Vater und die Kleine gedankenverloren spielen (gähnend) und die sagt irgendwas.
Th: Ja hör mal hin.
Kl: Ja, da ist eher so was ,,Na macht mal net so lange, wir essen gleich“, oder so.
Th: Und wie geht es dir dabei, dem Teil, der mittlerweile am U-Boot hängt, dem die Kräfte schwinden?
Magst du mal mit dem in Kontakt gehen?
Kl: (müde) Hmmmm.
Sie soll die Eltern und 4jährige mit dazu nehmen und es denen zeigen. Daraufhin kratzt sich die Klientin an den Armen.
Th: Spür mal, was dich da juckt.
Kl: (genervt) Jaaaa. Irgendwie hab ich jetzt kurzzeitig ein Bild gesehen, als ob das U-Boot mich mit einem Sägemesser angekratzt und festgenagelt hätte und irgend jemand sagt: ,,Ach ja, das soll ja nicht so sein, ist ja gar nicht so schlimm!“
(Mustersatz ,,Ist ja gar nicht so schlimm!“)
und zieht das U-Boot wieder zurück und es wird kein Aufsehen mehr um das was jetzt war gemacht. Sie driftet unversehens in die Müdigkeit ab.
Mache den Vorschlag die Innenweltbilder miteinander in Kontakt zu bringen, oder das Kratzen als Form/Gestalt auftauchen zu lassen.
Kl: Ich spüre keine Bezug zu den Bildern, die ich jetzt wahrnehme.
Während die Klientin sich an die Wand gedrückt fühlt, ihr im wahrsten Sinne des Wortes ,,der Atem stockt“ spielen der Innenweltvater und das Kind gedankenverloren und nehmen weder sie noch die Mutter wahr.
Die Klientin flüchtet daraufhin wieder in ihre Müdigkeit, Bilder kommen und gehen.
(Indem die Klientin von einem zum anderen Bild springt, wird sichtbar, dass sie noch nicht bereit ist, sich mit ihren Innenweltbildern zu konfrontieren. Sie flüchtet, ärgert sich allerdings gleichzeitig, dass die Sitzung wörtlich ,,so dahin dümpelt“)
Th: Wie ist das für dich, wenn alles so dümpelt?
Kl: (müde, tief Luft holend) Das ist mir eigentlich egal. (Spiegele ihr ihre Gleichgültigkeit.)
Th: Ja, nimm es einfach wahr. Es ist dir egal, wenn`s dahin dümpelt.
Gibt es einen Teil in dir, dem das nicht egal ist? Kannst ihn ja mit dazuholen. (den ,,Gegenpol“ auftauchen lassen)
Kl: Ja, irgend etwas ist unzufrieden.
Sie soll den unzufriedenen Teil auftauchen lassen.
Kl: Ja, das ist auch ein Teil von mir. Die ist aber (gähnend) während ich heute so der schläfrige, träge, faule Teil bin, ganz schön sauer, hat die Hände zu Fäusten in die Hüfte gestemmt.
Th: (ermunternd) Ohja.
Kl: (sauer) Sie sagt: ,,Mensch, das ist doch alles Scheiße heute hier. Guck dir den Mist doch an. Und das nennst du handeln?
Th: Wie ist das für den Teil, der hier so schläfrig ist?
Kl: Dem ist das egal. Zum unzufriedenen Teil: ,,Kannst ja mal was machen, wenn du willst.“
(Sie gibt damit die Verantwortung und somit auch ihre eigene Handlungskompetenz ab.)
Während der unzufriedene Teil in der Innenwelt mit Dolch und geballten Fäusten wütend agiert, der Klientin ,,zeigt wo`s langgeht“, bleibt diese in ihrer Gleichgültigkeit.
(Hier wird deutlich die Ambivalenz zwischen dem schläfrigen gleichgültigen Teil und dem Teil, der bereit ist in die Handlung zu gehen, sichtbar.)
Am Ende der Sitzung hin, treffen alle ,,Inneren Kinder“ (Die Klientin hat im Verlauf vorheriger Sitzungen in ihrer Innenwelt mittlerweile drei Kinder unterschiedlichen Alters entdeckt) mit der Mutter zusammen. Einen kurzen Moment lang nimmt die Klientin eine Kraft wahr, als sich die Hände der Kinder mit denen der Mutter treffen. Sie soll Papa, Mama und die Kinder auftauchen lassen, damit sie sehen, wie es ihr geht.
Kl: Irgendwie tu ich das jetzt mit Widerwillen.
Th: Ja. Nimm es einfach wahr. Oder sag ihnen, dass du jetzt keine Lust hast.
(Klientin geht in die Projektion, ist sauer auf ihre Innenweltfiguren, wobei das der momentane ehrliche Ausdruck in ihr ist und somit auch OK. Sie steht zu ihren Gefühlen.)
Kl: Ja, ich hab momentan keinen Bock euch zu erzählen wie es mir geht und Vereinbarungen zu treffen. Bin von euch allen enttäuscht und frustriert, dass ihr nichts tut.
(Spiegele ihr das eigene Verhalten.)
Mittlerweile fühlt sich die Klientin müde und ist gleichzeitig frustriert. Ihr wird bewusst, dass sie in ihrer Innenwelt kaum Veränderungen vorgenommen hat.
Trotzdem genießt sie die Nachruhephase bei schöner Musik, um das Erlebte nachwirken zu lassen. In Begleitung ihrer Kinder sucht sie in ihrer Innenwelt einen schönen Ort zum Verweilen auf, bis ich sie zum Nachgespräch abhole. (Musik CD ,,Songs for the Inner Child“)