Praxislizenz Ilona Schließmann
2. Sitzungsbeispiel ,,Ein Kind wird groß“ (Klientin 1)

Einstiegstext: Kurze Reise/Begegnung mit dem ,,Inneren Kind“, um die Klientin ohne Umschweife an ihr Kindheitserlebnisse (Inneres Kind) heranzuführen.
Die Klientin ist sofort in ihrer Bilderwelt, trifft auf einem Spaziergang ihr Inneres Kind und geht in Kontakt mit der ,,Kleinen“. Sofort reagiert der Körper mit Kopf- und Nackenschmerzen.
Kl: (Zur Kleinen) Bist du der Schmerz im Nacken? Auf diese Frage hin senkt die Kleine in der Innenwelt den Kopf, der Klientin selbst tun die Kiefergelenke weh. (Hierbei wird die Verbindung zwischen den Gefühlen der Kleinen und dem Körperausdruck der ,,Großen“ = Klientin sichtbar)
Klientin sieht unscharfe schnell wechselnde Bilder (flüchtet/Muster im Alltag). Die Kleine auf ihrem Schoß ist quengelig, windet sich.
Kl: Du willst irgend etwas nicht sehen, bist quengelig.
Th: Wie ist das für die Große?
Kl: Ich empfinde da nicht viel. (Klientin schweift in andere Bilder ab.)
Das Körpergefühl in Form von Taubheit im Arm meldet sich. Indem sie in Kontakt mit der Kleinen bleibt, taucht eine Kindheitserinnerung in Gestalten eines alten schimpfenden Mannes auf.
Die Kleine kriegt Angst vor dem Alten, schaut mit großen Augen zu ihm auf.
Kl: (Zur Kleinen) Also, ich bin gefühlsmäßig gar nicht eingebunden, aber ich spüre halt in meinem Körper viele Dinge.
(...viele Dinge, die mit den Gefühlen aus Kindheitserlebnissen gekoppelt sind. Das Innere Kind drückt diese Gefühle aus. Indem die Klientin bereit ist, Kontakt mit der Kleinen zu halten, ist sie bereit die Verantwortung für ihre eigenen verletzten Gefühle zu übernehmen. Halte die Klientin in Kontakt mit ihrem Kind, da sie gerne flüchtet)
Währenddessen stockt ihr der Atem, die Beine werden schwerer, sie verliert sich in andere Bilder, die plötzlich auftauchen. Erneut nimmt sie Kontakt mit der Kleinen auf. Beide treten mit den Füßen mutig den Alten um.
Daraufhin findet sich die Klientin mit angehaltenem Atem in eine Ritterrüstung gepresst, die sie in der Bewegungslosigkeit verharren lässt. Die Kleine wird panisch, spürt die Trennung von der Großen, weint, streckt die Arme nach ihr aus.
Kl: (ungerührt) Das ist zwar unangenehm hier drin zu sein, aber auch nicht schlimm. Ich spür` nicht viel. (Ähnliches Muster taucht in anderen Sitzungen auf und wird auch im Alltag der Klientin deutlich.)
Spiegele ihr das. Der Panzer soll ihr seinen Entstehungsort zeigen. Ein Dachbodenfenster welches auf- und zugeht erscheint, wirre Bilderreihen folgen.
Auf den Vorschlag, alle Innenweltfiguren (Panzer/Kleine/Große) durch Konfrontation zusammenzubringen, geht die Klientin zu diesem Zeitpunkt noch nicht ein.
Kl: (gähnend) Letztendlich ist mir das gleichgültig. Ich werde auch schon wieder müde. Der Magen meldet sich lautstark und die Klientin nimmt die Traurigkeit ihres Inneren Kindes wahr.
Kl: Ja du guckst jetzt an mir hoch, willst auf den Arm aber guckst schon noch traurig. So, als ob dich noch irgend etwas beschäftigt.
Hilf mir doch das zu verstehen.
(Zur Unterstützung der Begegnung leise Hintergrundmusik ,,Songs for the Inner Child“.)
Die drei Kinder der Klientin (alle aus den Erfahrungen ihrer Kindheitserlebnisse aus anderen Sitzungen entstanden und unterschiedlichen Alters) wollen anders aussehen, sind unglücklich. Die Klientin schenkt ihnen kurz Aufmerksamkeit indem sie ihnen die Haare schneidet, verliert sich allerdings dann wieder in anderen Bildern.
Kl: Irgendwie ist das alles nicht so rund.
Th: Ja spüre mal, was da nicht rund ist, oder frag die Kleinen was sie brauchen.
(Halte sie weiterhin in Kontakt mit ihren ,,Kindern“.)
Kl: Also ich h ab vor allen Dingen mit Dir, der12jährigen, Probleme gehabt. Du standst da als Indianerin verkleidet wie an Fasching. Ich habe gemerkt, dass ist total albern was du da anhast und weil du mir nicht sagen konntest, was du wolltest, habe ich von mir aus gehandelt und das war nicht rund, weil ich nicht wußte, was du wolltest.
(Indem die Klientin eigenständig handelte, ohne auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen, missachtete sie dessen Gefühle. Das war nicht rund und ihr wird das an dieser Stelle bewusst.)
Th: Du kannst sie ja mal fragen, was sie will, spüre mal. Sie kann dir ja was aufschreiben, oder hör einfach mal hin, was sie Dir zu sagen hat.
(Klientin schweift ab, ist noch nicht bereit auf die Bedürfnisse der Kleinen einzugehen. Sie spricht das andere Kind an.)
Kl: Und das gleiche ist mit dir, du Mittlere. Ich weiß nicht, was ihr wollt. Ihr kommt mir nur unglücklich vor. Ich bin auch noch ein bisschen ungeduldig mit euch und das verunsichert euch.
Die Große in der Innenwelt lässt daraufhin die Schultern hängen.
Kl: Wir haben noch keine starke Bindung. Ich wusste nicht, was ihr wolltet.
Kl: Ihr seid beide so verhalten, ihr sagt nichts. (Muster)
Die Kleine soll ihr eine Situation zeigen, weshalb sie so unglücklich ist.
Eine Höhle, die einem Verließ gleicht erscheint, aus der abwechselnd eine Hand und ein Gesicht herauslugen.
Kl: Wie ein Verließ, als ob da seit Jahren einer verwahrlost drinnen sitzt.
Sie geht mit dem großen Kind zu diesem Verließ, wobei sie es fordernd und hart nach vorne treibt. Die Kleine wird stocksteif.
Th: Ja spüre mal was du forderst und woher du das kennst. (Muster sich fordern und Zähne zusammenbeißen)
Kl: Ich hab wieder das Gefühl, als ob ich wieder die Zähne zusammenbeiße.
Th: Wie ist das für die Kleine. wenn du sie so vorwärts treibst?
Kl: (Zur Kleinen) Du willst da nicht hingucken. Du fühlst dich auch von mir in keinster Weise beschützt. Die Kleine daraufhin zur Klientin: Du bist ja auch wie alle anderen.
(Die Kleine kennt dieses Gefühl, getrieben zu werden, ebenso die Große. Schließlich ist die Kleine ein Teil der Großen und handelt aus deren Prägungsphase (Kindheit) heraus.)
Kl: Ich hab dich richtig fest im Griff, beiße auf die Zähne und denke: ,,Nu guck doch da hin und sag was dazu!“
Plötzlich erscheint die Müdigkeit und legt sich als schwarzer Mantel um die Klientin.
Kl: (entspannt) Ja, das gibt halt auch Ruhe. Ruhe und Schlaf. Ich muss dann über nichts mehr nachdenken.
(Ein Muster, welches sie auch im Alltag kennt und ihr andererseits ein Stück Lebensqualität raubt. Sie ist unzufrieden in diesem Verharren.
Interveniere sie soll das Innere Kind ihres Lebenspartners auftauchen lassen, damit die beiden Kinder in Kontakt gehen können. Im Vorgespräch schilderte sie dessen Kind als äußerst lebendig und draufgängerisch.)
Statt dessen:
Kl: (genervt) Ich komm mir schon wie ein lahmer Weiberhaufen mit meinen Dreien vor. Nichts klappt mehr.
Nur die ganz Kleine hat noch Leben in sich.
Sie soll sich von der Mittleren zeigen lassen, seit wann diese traurig ist.
Kl: (gähnend) Ich bin wieder kurz vorm Einschlafen.
Ein totes Hähnchen, dessen Schlund der Eingang zu etwas langem tiefen ist taucht auf, und verschwindet sogleich wieder.
(Sobald ein Symbolbild auftaucht, erscheint auch die Müdigkeit, verhindert eine direkte Konfrontation und somit ein Weitergehen.)
Th: Wie ist das für dich, dass du nichts gesehen hast?
Kl: Ja, frustrierend. Aber nach wie vor überwiegt noch die Müdigkeit, dass ich alles nicht so sehe. (Gähnt lange und ausgiebig.)
Auf die Frage hin, ob die Müdigkeit die Klientin daran hindert, das zu sehen, was das mittlere Kind zeigen will, zeigt sich die Müdigkeit in Gestalt eines schwarzen Greifvogels, der ihr mit seinen Schwingen die Augen verdeckt.
Kl: Schau, mittleres Kind, ich kann da irgendwie nicht hingucken, weil ich so müde bin. Die Müdigkeit ist ein Schutz für mich.
(Nachdem der Klientin bewusst ist, dass sie da nicht hingucken will, erwacht Wut ihrer Mutter gegenüber. Ein Thema das noch ansteht. Allerdings reicht der Impuls nicht aus, um im Außen aktiv zu werden.
Auf die Intervention, Vater und Mutter und die Kinder zusammenzubringen, reagiert die Klientin nicht. Fazit: Alle Innenweltfiguren stehen traurig um sie herum. Spiegele ihr das.)
Kl: Ich bin euer Bandenführer und wenn ich nichts mache, macht ihr auch nichts.
Th: Ist das so wie Du gibst den Ton an, trägst die Verantwortung für die Kinder? (reflektieren zum ,,Deutlich machen“)
Kl: Ja, ich bin schon so wie Mutterersatz und ich empfinde auch so für euch. Aber es fällt mir schwer. Ihr setzt eure Hoffnung in mich.
Klientin nimmt erneut Kontakt zu den Kindern auf und stellt mit Erstaunen fest, dass das große Kind sich verändert hat.
Es nimmt ihre Hand in seine Hände und fleht: Bitte, bitte, mach was.
Th: Frag sie, was sie damit meint.
Kl: (Zur Kleinen) Was soll ich denn machen?
Die Blicke der Kinder wandern zu den Eltern hin mit der Botschaft, dass es da noch etwas Wichtiges gäbe, wovon die Klientin die Kinder befreien soll, allerdings ist die Klientin momentan noch nicht bereit, ihre Innenweltfiguren zusammenzubringen.
Kl: Ich kriege die Kinder nicht zu den Eltern. Ihr seid genauso steif wie die Eltern.
Abschließend verteilt sie an alle Figuren eine Einladung mit der Überschrift ,,Familientreffen“ und alle nicken, nur die 12jährige fehlt in der Runde. Klientin stellt mit Erstaunen fest, dass die 12jährige sich verändert hat.
Sie hat sich zur Jugendlichen gemausert, ist ansehnlicher und selbstbewusster geworden. Das verunsichert wiederum die Klientin stark, sie kann die Veränderung kaum fassen.
Kl: (lachend) Ich wusste gar nicht, dass so etwas in mir steckt. Die anderen sind mir überhaupt nicht fremd, dieses traurige, verhaltene, kenne ich (auch im Alltag).
Zur 12jährigen gewandt: Aber du bist offener, selbstbewusster und klarer. Du bist mir jetzt fremd geworden.
(Obwohl noch eine Blockade vorhanden ist, demzufolge der Kontakt zur Kleinen noch schwerfällt, hat sich, trotz nur geringer Konfrontation ein kindlicher Aspekt der Klientin verändert und ist groß geworden. Der Klientin fällt es schwer diese positive Veränderung anzunehmen. Dem Teil in ihr, der erwachsen wurde, ist das allerdings total egal. Er ist jetzt selbstbewusst geworden und drückt das ihr gegenüber auch aus.)
Kl: (Zur Jugendlichen). Du bist irgendwie aus uns anderen herausgewachsen.
Kl: (erstaunt) Dabei hab ich dir doch nur die Haare geschnitten. Sie bemerkt, dass ihr die Qualitäten ,,Eigenständigkeit“ und ,,Selbstbewusstsein“ noch sehr fremd und noch Thema sind.
Kl: Das wird noch ein Thema sein, lachend zu den Eltern: aber das ist wohl nicht nach eurem Geschmack.
Th: Letztendlich geht’s um deinen Geschmack, um deine Verantwortung für dich, spüre mal. Und die Eltern haben für dich dazusein.
Klientin nimmt die Kleine erfreut an ihrer Seite wahr und alle Innenweltfiguren sind bereit am vereinbarten Familientreffen zu erscheinen. Gebe der Klientin genügend Zeit das Erlebte bei sanfter Musik aus der CD ,,Songs for the Inner Child“ nachwirken zu lassen, bevor ich sie zum Nachgespräch abhole.